Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
sagen, warum Kathrin Philipp heiratet – und sogar für die umgekehrte Frage gibt’s eine Antwort«, sagte Tom.
»Schieß los!« Katinka machte es sich auf dem Küchenbüfett bequem und schnappte Tom den ersten fertigen Pfannkuchen weg. Weich wie Seide lag er in ihrer Hand. Flugs rollte sie ihn zusammen und biss hinein. »Hm, Li-La-Leckerland.«
»Klar wie Kloßbrühe: Für Kathrin ist es ein immenser gesellschaftlicher Aufstieg. Sie ist Grundschullehrerin, oder? Die Unschuld vom Lande, mit wenig Schönheit und keinem Temperament gesegnet, heiratet einen reichen Städter aus renommierter Familie, der einen Job hat und genug Kohle lockermachen kann, um termingerecht zur Eheschließung eine Wohnung zu kaufen.«
»Aber Tom«, zweifelte Katinka. Sie schenkte sich Tee nach und beobachtete Vishnu, der auf den Tisch sprang und provozierend in die andere Richtung sah. »Wir leben im neuen Millennium. Frauen stehen nicht mehr auf …«
Energisch schippte Tom den nächsten Pfannkuchen auf einen Teller.
»Doch. Frauen wollen Macht, Ansehen, Geld. Wenn sie nicht selbst imstande sind, sich das Gewünschte anzueignen, brauchen sie einen Mann, der genau das hat.«
Katinka war baff. Tom konnte unmöglich so was glauben. »Also ich …«
»Du bist natürlich aus anderem Holze geschnitzt«, grinste Tom und fuhr mit seinen mehligen Händen durch Katinkas Wuschelhaar. Feine weiße Staubkörnchen schwebten auf ihren Pulli. Der erste Schnee in diesem Herbst. »Du verschaffst dir das alles selbst. Aber das, was du mir von dieser Kathrin erzählt hast, finde ich ziemlich deutlich: Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann …«
»Ich denke, die gute Kathrin hat schon jede Menge Schokolade gewollt und auch bekommen«, sagte Katinka nachdenklich. »Aber wo bleibt die Liebe?«
Schwungvoll goss Tom einen neuen Schöpfer Teig in die Pfanne: »Pah, Liebe! Philipp kriegt eine Frau, die vor lauter Dankbarkeit über ihren sozialen Aufstieg die Klappe hält und ihn weitermachen lässt wie bisher.«
Die Küche war erfüllt vom Duft nach Vanille, nach Butter, nach Gewürzen. Plötzlich fühlte sich Katinka schläfrig.
»Wenn du meine Meinung wissen willst«, fuhr Tom fort, »und du willst sie wissen, damit du gleich anschließend über mich herfallen kannst …«
»… gar nicht!«
»… aber dieser neue Fall ist ziemlich sonderbar.«
»Ach was!«, fuhr Katinka auf. »Jedes Mal, wenn ich einen neuen Fall anbringe, hat Herr Tom Thiele ein Problem damit.«
Sie biss sich auf die Zunge. Immerhin hatte Tom seine Mäkelei in Sachen Gefährlichkeit eingestellt.
»Was habe ich gesagt? Die Attacke folgt sogleich.« Tom grinste und jonglierte einen frischen Pfannkuchen in Katinkas freie Hand. Sie warf die runde Scheibe hin und her. »Mensch, das ist heiß!«
Ungerührt arbeitete Tom weiter.
»Egal. Der Fall ist sonderbar, weil du eigentlich etwas suchen sollst, was offensichtlich ist. Alina Faber will alles über ihre Familie wissen? Du weißt doch schon alles. Sie sind sich nicht grün. Die Männer haben Alina abgehakt, Grit versucht einen Spagat. Die zukünftige Schwiegertochter ist doof wie Brot.«
Katinka verschluckte sich an dem Pfannkuchen.
»Und weißt du, was ich glaube?«, fügte Tom hinzu und wendete den nächsten Pfannkuchen geschickt. »Im tiefsten Herzen weiß Alina Faber das. Sie hat dich beauftragt für die Illusion, dass noch was zu machen sei. Dass es etwas zu finden gebe, was ihre Enttäuschung auffangen kann, was die ganze Geschichte noch mal rumreißt. Sie träumt von einer Familie, die sie liebt. Wenn nicht der Mann, dann wenigstens die Kinder. Und wenn nicht beide Kinder, dann wenig-stens eins.«
Toms Worte gingen Katinka unerwartet zu Herzen. Wie in einer antiken Tragödie marschierten die Hassebergs vor ihr auf der Bühne eines Amphitheaters auf, mittendrin lag Ida mit einem Schwert in der Brust. Ka- tinka zuckte zusammen und ließ den Pfannkuchenrest fallen.
»Ich glaube, du hast recht«, sagte sie zu Tom. »Bloß, wie soll ich sie loswerden? Sie hat mich bezahlt. Mitten in der Hasengasse wirft sie mir zweihundert Euro buchstäblich vor die Füße.«
»Klar, sie kauft sich, was es nicht zu kaufen gibt. Anteilnahme zum Beispiel.«
Katinka stellte die Teetasse in die Spüle und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank.
»Glaubst du, Philipp hat seine Großtante aus der Villa treiben wollen, indem er als Bamberger Reiter rumspukte?«
»Andere Frage«, sagte Tom. »Wie viel wusste die Familie von den
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