Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
Katinka bestellte Milchkaffee. Der Fratzenaufkleber hatte sie aus dem Konzept gebracht. Was wollte sie hier, und was wollte sie mit Philipp Hassebergs Verlobten? Sie flehte um ihre Intuition. Immerhin, dachte sie, sollen diese Fratzen ja Schutzgeister sein, die das Böse vom Haus und seinen Bewohnern abhalten.
»Kannten Sie Ida Schenck eigentlich gut?«
»Schon, ja«, kam es von Kathrin Brettschneider, die bald Hasseberg heißen würde. Sie sah übernächtigt aus, das rotblonde Haar, feucht vom Nieselregen, wirkte stumpf. Sie trank eine Cola.
Katinka wartete.
»Ida ist eine echt nette Frau gewesen«, sagte Kathrin. »Gar nicht so tantenhaft. Sie wirkte ja nach außen ziemlich konservativ, so mit Kostümchen und so. Aber so war sie nicht.«
»Nein?«
»Sie war sehr …«, Kathrin suchte nach Worten, und das dauerte ziemlich lange. Sie passte nicht zu Philipp Hasseberg, nicht die nachlässigen Klamotten, die pummeligen Formen, nicht das Phlegma. Ihre freundliche, offene Art auch nicht.
»… sehr aufgeschlossen«, kam es nun. Mehr hatte Kathrin Brettschneider nicht zu sagen. Sie wickelte ihren Wollschal ab. Katinka kannte das Muster: Karstadt, 9 Euro 99.
»Ich weiß, Sie heiraten ja am Samstag«, sagte Katinka. »Ich will Sie deswegen auch gar nicht aufhalten, aber …«
»Ach, ich bin sowieso viel zu aufgeregt«, sagte Kathrin. Für ihre stoischen Verhältnisse entwickelte sie sogar so etwas wie Temperament. »Ich kann nicht mehr schlafen. Jede Ablenkung tut gut.« Sie änderte ihre Meinung und wand den Schal wieder um ihren Hals.
Katinka dachte an Philipp Hassebergs fahle Gesichtsfarbe und fragte:
»Ihr Verlobter ist wohl auch ziemlich aufgeregt.«
»Nein, eigentlich nicht. Er hat nur viel zu tun. Viel Arbeit diese Woche noch. Naja, und dann die ganzen Vorbereitungen für das Fest …«
»Sie fahren mit einer Kutsche …«
»Genau!« Kathrins Gesicht wurde düster. Sie schien sich gar nicht zu fragen, woher Katinka das wusste. »Die Trauung ist in der Michaelsbergkirche und dann bringt uns die Kutsche in die Stadt, wo wir im Hotel Residenzschloss den Sektempfang geben, Kaffee und Kuchen und so weiter. Am Abend feiern wir auf der Altenburg. Im Rittersaal.«
»Sie freuen sich gar nicht, scheint mir«, bohrte Katinka.
»Kutsche, bei dem Wetter. Ich bin doch so verfroren.«
»Dann lassen Sie die Kutsche eben weg!«
Kathrin starrte Katinka an, als habe sie vorgeschlagen, den Mond vorübergehend aus seiner Umlaufbahn zu heben.
»Die Kutsche ist bestellt«, sagte sie.
Schlagendes Argument, dachte Katinka verzweifelt. Laut fragte sie:
»Von Ihrem Schwiegervater, oder?«
Kathrin antwortete nicht.
»Warum ist eigentlich Ihre Schwiegermutter in spe nicht eingeladen?«
»Philipp versteht sich nicht mit ihr«, brummte Kathrin Brettschneider. Sie fummelte an ihren Ohrhängern. »Ich meine, Ida wollte noch vermitteln, sogar Grit hat sich eingesetzt, aber Philipp und sein Vater sind da absolut entschieden: Alina kommt nicht.«
»Tatsächlich? Grit hat sich für ihre Mutter eingesetzt?«
»Grit hasst ihren Vater«, sagte Kathrin überzeugt und nuckelte an dem Trinkhalm. Fauchend schoss der Rest Cola mit einer gewaltigen Menge Luft aus dem Glas.
Katinka staunte nicht schlecht. Grit hasste ihren Vater?
»Wieso?«
»Woher soll ich das wissen!«, seufzte Kathrin. »Ich habe so oft mit ihr darüber geredet, aber seit dem Unfall … Ja, ich glaube, sie ist seit dem Unfall ihrem Vater gegenüber noch steifer geworden.«
»Seit dem Unfall?«
Katinka musste sich anstrengen, um ihre Aufregung unter Kontrolle zu halten. Nun sag schon, feuerte sie Kathrin im Stillen an, sag schon.
»Also, Grit und Ida kamen, um mit Philipp zu reden, er hat es mir nur erzählt, ich war nicht dabei. Sie gerieten auf der Rückfahrt in Blitzeis. Ihr Vater wollte sie noch warnen. Es wurde den ganzen Abend und in der Nacht im Radio vor den extrem glatten Straßen gewarnt. Fahren sollte nur, wer unbedingt musste.«
»Blitzeis?«
»Urplötzlich auftretendes Glatteis. Auf der B 4. Letzten Winter. Philipp wohnte noch in Coburg.«
»Ach was.«
»Inzwischen sind wir in eine Wohnung am Schiffbauplatz gezogen.«
»Was halten Sie denn von Alina?«
Kathrin sah Katinka in die Augen und gleich wieder weg. Sie spielte mit ihrem Colaglas. Na los, rede schon, dachte Katinka.
»Eigentlich tut sie mir leid. Aber …«
»Aber dann doch nicht?«, bohrte Katinka.
»Ach, das ist schwierig.«
Kathrin schien sich wirklich zu quälen, sie fuhr sich
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