Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
Erscheinungen, die Ida hatte?«
»Hasseberg drückte sich so aus, als hielte er Idas Geschichten für Spökenkiekereien. Mit Grit konnte ich darüber nicht vernünftig reden, sie warf mich raus.«
Katinka tastete auf der Ablage nach dem Flaschenöffner. Das sanfte Zischen, als sich der Kronenkorken hob, beruhigte ihre Nerven. »Philipp predigte, ich sollte die Familie in Ruhe lassen. Und Kathrin …«
Tom stellte die Herdplatte ab und schob die Pfanne weg. Nachdenklich nahm er Katinka die Bierflasche aus der Hand und trank. »Was hat sie gesagt?«, fragte er.
»Irgend so was wie: Alte Leute würden oft Dinge sehen, die gar nicht da sind.«
Tom zuckte die Schultern. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von den Hassebergs die Tante umgebracht hat«, sagte er. »Sie haben alle Geld wie Heu. Das Erbe brauchen sie gar nicht.«
Katinka stellte sich noch einmal das Amphitheater vor, in dessen Mitte sich die Familie Hasseberg in Szene setzte. Ganz am Rande sah sie vor sich eine Frau mit kurz geschnittenem, grauem Haar.
»Sieglinde Unruh!«, rief sie.
»Hm?« Tom reichte ihr die Bierflasche.
»Da war noch eine Frau auf der Beerdigung. Idas Freundin – angeblich. Und die …« Katinka verstummte. Sie wollte Tom ungern erzählen, dass sie mit Sieglinde Unruh und Grit Faber gemeinsam in einem Zimmer festgesteckt hatte – unter dem Sofa.
»Was?!«
»Ach, nichts.« Katinka zupfte an dem Etikett der Bierflasche. Es zerriss sofort bei dem Versuch, es abzuziehen. Sie dachte an das Fratzenfoto.
Tom wischte sich die Hände an den Jeans ab und ging in sein Arbeitszimmer. Als er zurückkam, hielt ermehrere Blätter, eng bedruckt, in den Händen.
»Hier, du wolltest doch die Liste mit Anbietern von Film- und Theatermasken haben. Ich habe ausgedruckt, was ich finden konnte.«
O weh, dachte Katinka. Wie soll ich die alle abtelefonieren.
»Keiner hier aus der Gegend?« Katinka überflog die Zeilen.
»Bisschen viel Info, oder?«, sagte Tom. Er nahm sich ein neues Bier aus dem Kühlschrank.
»Da stehen mindestens hundert Firmen«
»Das ist das Dumme am Internet – du hast einfach alle Möglichkeiten. Ob jemand die Maske in Los Angeles bestellt oder in Bamberg, ist vollkommen egal.«
Katinka faltete die Blätter zusammen. Die Liste musste warten.
»Was machen wir jetzt eigentlich mit den vielen Pfannkuchen?«, fragte sie.
»Abkühlen lassen, mit Crème Fraiche als Mörtel und gefrorenen Beeren als Zwischenetagen zu einem Turm aufschichten. Nennt sich Pfannkuchentorte.«
»Ich bin tief beeindruckt«, versicherte Katinka.
Katinka traf Sieglinde Unruh vor ihrem Haus. Sie wohnte in der Pödeldorfer Straße, schräg gegenüber vom Café Abseits . Katinka war selten in dieser Gegend.
»Ach, die Frau Privatdetektivin.«
»Kommen Sie oder gehen Sie?«, fragte Katinka.
»Ich komme. Aber bei mir gibt’s nichts zu trinken und nichts zu essen, und ich hab noch nicht gefrühstückt. Gehen wir ins Abseits . Ein Salatteller, um den Tag anzufangen.«
Katinka folgte der anderen über die Straße. Sie bewegte sich wie ein Wiesel in ihren Turnschuhen, joggte zwischen zwei heranjagenden Autos über die Fahrbahn und stieß die Tür zum Café auf.
»Setzen wir uns ans Fenster, ja?« Sieglinde Unruh hatte schon Platz genommen. Nomen est omen, dachte Katin-ka. Sieglinde schüttelte eine Schachtel Benson & Hedges auf dem Tisch aus und schnappte sich eine Zigarette.
»Ich bin vollkommen süchtig. Zwei Kaffee! Oder wollen Sie was anderes?«
Die Bedienung verschwand.
»Sie wollen mit mir über Ida sprechen. Unterhalten wir uns lieber über die Hassebergs. Interessanter Haufen. Nicht um alles in der Welt möchte ich mit denen verwandt sein.«
»Haben Sie eigentlich mal mit Ida gearbeitet?« Katin-ka mochte es nicht, wenn ihr das Thema diktiert wurde.
»Sozusagen!«, sagte Sieglinde Unruh. Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Lederjacke. »Aber ich bin nicht so weit gekommen wie sie. Mit 18 bekam ich ein Kind. Der vielanalysierte Karriereknick. Ida wusste schon, warum sie sich das nicht antat.«
Sie blies Katinka den Rauch mitten ins Gesicht.
»Sie waren Idas beste Freundin.«
»Die Weisheit haben Sie von Alina. Meine Güte, die reinste Waschküche da draußen!« Sieglinde warf einen genervten Blick aus dem Fenster auf die graue, öde Straße. Energisch fuhr sie sich mit beiden Händen in das nasse Haar. Gebannt beobachtete Katinka die glimmende Zigarette zwischen ihren Fingern. Nach allen Seiten standen die grauen
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