Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
den Kaffee. Britta stand auf und holte eine Packung Walkers Shortbread aus dem Schrank.
»Als ich die Moleskine-Bücher an mich nehmen wollte«, sagte Katinka langsam, »tauchten Grit und Sieglinde Unruh auf. Aber sie haben mich unmöglich bemerkt.«
»Du könntest dich täuschen!«
»Wieso?« Katinka verschluckte sich an einem Kekskrümel.
»Eine von den beiden mag gesehen haben, wie du dich aus dem Haus geschlichen hast.«
»Unmöglich.«
»Sagst du jetzt.« Britta war nicht überzeugt. »Außerdem hast du bei Hasseberg genau wie bei seiner Tochter darüber geredet, dass Ida einige ihrer Tagebücher vermisste. Du hast damit vielleicht ungewollt die Aufmerksamkeit auf dich gelenkt. Die Bücher sind wirklich weg. Entweder verdächtigen sich die Hassebergs alle gegenseitig, oder sie riechen, dass Frau Privatdetektivin Palfy dahintersteckt.«
Katinka runzelte die Stirn. Sie fand Brittas Gedankengang nicht überzeugend. Aber irgendetwas setzte sich in ihrem Inneren fest. Ein Zweifel. Eine Unsicherheit. Das Fratzenfoto. Sie wunderte sich, wie unruhig und nervös es sie machte.
»Alina Faber ist auch abgetaucht«, sagte sie. Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren hohl und ausgelaugt.
Britta löffelte den Rest Zucker aus ihrer Tasse.
»Ich sage dir was: Die ist nicht abgetaucht, die hat voll getankt, aus Trauer und Entsetzen darüber, dass ihr Sohn heiratet und sie nicht dabei ist.«
Nachdenklich nickte Katinka. »Du könntest recht haben.«
»Ich habe nicht nur recht. Es ist logisch. Sie kann gar nicht auf deine Anrufe reagieren, weil sie besoffen ist. Aber womöglich hat sie sich ja jetzt zusammengerissen, um heute Abend das Fest aufmischen zu können.«
»Oder um den Sektempfang implodieren zu lassen.«
Sie lachten beide.
»Es ist eigentlich nicht lustig«, überlegte Katinka dann. »Ich glaube, ich schreibe den Bericht über das Liebesleben in ihrer Familie, sauge mir was auf den Fingern und zahle ihr das Geld zurück. Dieser Fall ist sowieso Quatsch. Ich hätte mich nie drauf einlassen sollen, irgendwelche Beziehungskisten umzuräumen.«
»Schau dich doch heute Abend mal um. Hochzeitsfeier im Rittersaal auf der Altenburg. Mamma mia!«, posaunte Britta. »Vom Feinsten. Könnte doch sein, dass auch deine Auftraggeberin aufkreuzt.«
Katinka glaubte nicht daran, aber die Idee, auf der Hassebergschen Hochzeit ein wenig zu kiebitzen, gefiel ihr.
»Wenn Tom heute Abend noch nicht zurück ist, dann schaue ich dort oben vorbei«, sagte sie.
Britta grinste. In ihren schwarzen Augen blitzte es.
»So gefällst du mir, Kat the Catey«, sagte sie.
Am Nachmittag fegten Regenschnüre über die Stadt. Wer rausging, wurde sofort nass wie unter der Dusche. Selbst Regenschirme nützten nichts, weil das Wasser von der Seite und sogar von unten zu kommen schien.
Katinka starrte aus dem Fenster und war sich ziemlich sicher, dass die Kutschfahrt, vor der Kathrin Brettschneider sich so gefürchtet hatte, nicht stattfinden konnte. Jetzt Kathrin Hasseberg, geborene Brettschneider, dachte Katinka schnippisch.
Nachdem sie lustlos die Bildbände durchgeblättert hatte, richtete sie sich einen Gurkensalat und verputzte ihn zur Hälfte ohne rechten Appetit. Nachher stieß ihr der Essig unangenehm auf. Tom rief an, dass irgendwas mit der Installation der Software nicht klappte, und dass es spät werden würde.
Als sollte es so sein, dachte sich Katinka. Sie zog eine saubere schwarze Jeans an, einen schwarzen Pullover und entschied sich für eine Halskette mit einem ansehnlichen Geflecht aus Granatsteinen, die sie vor Jahren in Wien auf dem Flohmarkt erstanden hatte. Ihre Stiefel waren unbrauchbar. Sie schlüpfte in schwarze Turnschuhe. Tom wie auch Britta hätten die Augen verdreht, aber für sie war ihr Aufzug ganz in Ordnung. Bei Ermittlungen braucht man eben gutes Schuhwerk, rechtfertigte sie ihre Klamotten vor sich selbst, als sie sich von Vishnu verabschiedete, der sie geflissentlich übersah, und den Schlüssel im Schloss zweimal umdrehte.
Der Regen hatte aufgehört. Ein kalter Wind pustete Fetzen von Altpapier vor sich her, das irgendjemand zu spät rausgestellt und dann nicht mehr ins Haus geholt hatte. Die Temperaturen mochten beinahe auf 0 Grad gefallen sein. Katinka fühlte nach zwei Minuten ihre Hände nicht mehr. Sie schienen am Lenker festgefroren. Sie radelte die Altenburger Straße hinauf, spürte die eisige Luft in ihren Lungen und begann zu husten. Erkältungszeit, schoss es ihr durch den Kopf. Sie
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