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Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)

Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)

Titel: Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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wollte, spürte sie den Stoß.

14. Meisterdetektivin
    Zuerst war alles wie freies Fliegen, wie Segeln. Katinka breitete die Arme aus und spürte ihre offene Jacke flattern. Dann ein heftiger Schmerz an ihrem Fuß, sie wusste nicht, ob am rechten oder linken. Sie sauste durch einen Tunnel aus Schwärze. Ihre Hände bekamen klammen Stein zu fassen. Unter ihren Fingern fühlte er sich weich und moosig an. Neben sich erkannte sie die Ringmauer. Die Brüstung lag einen halben Meter über ihr. Das Entsetzen ließ einen Augenblick nach. Ein Vorschlaghammer bohrte immer nur ein Wort in ihr Hirn: Festhalten.
    Sie hing 15 Meter über der Erde an einem steinernen Wasserspeier. Wenn sie ihr linkes Bein bewegte, berührte sie die Mauer. Ihre Jacke und ihr Pullover waren hochgerutscht. Der Wind biss in ihre nackte Haut. Schon gehörte sie nicht mehr wirklich zu der Welt da oben, wo die Leute mit zwei Beinen auf festem Boden standen. Sie berechnete kalt und klar ihre Chancen. Wenn es ihr gelänge, sich mit ihrem linken Fuß an der Mauer abzustützen, könnte sie sich vielleicht aus eigener Kraft hochziehen. Ich müsste schreien. Der Gedanke verglomm in der Nacht. Sie schrie nicht, ohne zu wissen, warum nicht. Sie öffnete den Mund, aber es kam kein Ton. Stattdessen hörte sie immer noch das Klavier klimpern.
    Sie rührte mit dem linken Bein wie in einer Küchenschüssel. Die Mauer war uneben. Sie bohrte die Zehen in einen Mauervorsprung. Rutschte ab. Versuchte es noch mal. Achtete nicht auf den stechenden Schmerz im Fuß. Spürte ihre Finger taub werden. Griff mit einer Hand nach. Rutschte ein Stück über den bemoosten Stein.
    Ihr linker Fuß fand Halt. Ihre Hände zitterten. Sie hatte das Gefühl, ihre Arme würden sich von selbst aus den Schultergelenken hebeln.
    Sie strengte die Zehen an, versuchte, sich so zu halten und ein Stück hochzuziehen. Ihre Armmuskeln brannten. Der Blick in die Tiefe war ein Fehler. Mit einem Mal nahm das Dunkel da unten das Aussehen eines weichen Polsters aus Luft an. Die Versuchung, einfach loszulassen und die Schmerzen zu vergessen, wurde übermächtig.
    Katinka kämpfte. Ihr Knie presste sich gegen die Mauer, gab ihr zusätzlichen Halt. Die Anstrengung war übermenschlich. Sie konnte sie nicht durchhalten. Spürte schon, wie ihre rechte Hand wegrutschte. Ihr Willen war stark und befahl der Hand, festzuhalten, die Finger um den Rand des Wasserspeiers zu krampfen. In der Mitte vertiefte er sich zu einer Rille. Das war ein Vorteil. Da war der Wille, und da war die Erschöpfung. Sie sah sich von außen zu, wie sie da hing, wie die Fingerkuppen über den Stein schrappten. Wie Blut unter den Fingernägeln hervortrat.
    Das linke Bein hatte sich festgehakt, für den Moment unlösbar. Sie schob sich ein Stück höher, umklammerte den Wasserspeier mit beiden Armen, spürte den kalten Stein unter ihren Achseln.
    Während ihr rechter Arm ins Leere rutschte, schrie Katinka aus Leibeskräften. Sie konnte ihrer Stimme nachschauen. Wie ein grauer Vogel flog sie in die Nacht hinaus. Sie schaukelte, festgehalten von ihrem linken Arm und ihrem linken Bein. Die Rechte ruderte im Nichts.
    »Hilfe!«
    Niemand würde sie hören. Im Festsaal klapperten Messer und Gabeln, klirrten Weingläser, tönten Reden. Ferne Pianomusik driftete wie Nebelschwaden an ihr vorbei.
    Ihr linker Fuß kippte aus dem Turnschuh. Ganz allmählich. Sie spürte es, und sie konnte nichts tun. Ihre Ferse löste sich unbeirrbar aus dem Schuh. Sie hörte ihn tief unten aufkommen, mit einem sachten baff . Nur ihre Zehen hielten sich noch an der Mauer, wie angedübelt.
    Als sie das nächste Mal schrie, glaubte sie ein schwaches Echo zu hören. Ihr rechter Arm orgelte immer noch durch die Luft, ohne zum Wasserspeier zurückzufinden. Das Atmen tat plötzlich weh. Als hätten ihre Lungen für immer die Eingänge verschlossen.
    Dann hörte sie eine Stimme. Jemand sprach, ganz in der Nähe.
    »Hilfe«, keuchte Katinka. In ihren Bronchien knisterte es. Die Kraft ihres linken Armes war aufgebraucht. Sie rutschte ab. Langsam. Konnte sich selbst dabei zusehen.
    »Hilfe!«
    »Wo sind Sie!«
    »Hier!«, schrie sie zurück, und hatte den Eindruck, ihre Stimmbänder würden zerfetzt. Ihr Fuß begann zu zittern. Mit aller Konzentration gelang es ihr, die rechte Hand wieder um den kalten Stein zu klammern.
    »Hier. Am Wasserspeier. Schnell!«
    In der feindlichen Nacht da oben auf dem Burghof war jemand. Hoffnung. Katinka biss die Zähne zusammen. Sie herrschte ihre

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