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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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im Clinch gelegen und seine geistige Gesundheit, genau wie seine Kinderstube in Frage gestellt. Niemand würde ihm diesen Gang nach Canossa abnehmen, zu dem ihn sein schlechtes Gewissen und seine lange Freundschaft zu Ossi zwangen. Allerdings war er es nicht gewohnt, um Entschuldigung zu bitten. Er wischte sich den kalten Schweiß von der gefurchten Stirn. Dann holte er ein letztes Mal tief Luft, bevor er seinen kümmerlichen Mut zusammenraffte und an das Schott klopfte.
    Da das Auslaufen seines Schiffes unmittelbar bevorstand, gingen die Matrosen Seewache im vierstündigen Wechsel. Clausing vermutete, dass Ossi ebenfalls so zeitig wie er von dem Matrosen der 4-8-Wache geweckt worden war. Ohne zweiten Mann in der Kombüse, der üblicherweise als B äcker fuhr, wartete eine Menge Mehrarbeit auf den Koch. Brötchen backen, unzählige Kannen Kaffee und Tee für die Wache kochen, das Frühstück für eine Horde unausgeschlafener, knurriger Männer zubereiten und, noch während die Besatzung über die erste warme Mahlzeit des Tages herfiel, bereits an die Vorbereitungen für das Mittagessen denken.
    Und tatsächlich öffnete er d as Schott gerade in dem Augenblick, als Ossi mit nacktem Oberkörper aus dem kleinen Bad in den Wohn-Schlaf-Raum trat. In Gedanken versunken rieb er sich nach seiner morgendlichen Dusche das nasse Haar trocken. Er gähnte ungeniert und streckte seinen muskulösen Körper. Verwundert hob er den Kopf und blinzelte seinen Freund an.
    „ Welch eine Überraschung. Der Kapitän zu so früher Stunde? Was führt dich ungebeten in die Privaträume deines Küchenbullen?“
    Als Clausing nicht gleich antwortete, zuckten Ossis Augenbrauen fragend in die Höhe. „Was willst du? Hoffentlich keine Extrawürste fürs Frühstück?“
    „Du weißt, warum ich hier bin.“
    Ossi schien zu überlegen, erwiderte jedoch nichts.
    „Ich möchte mich entschuldigen.“
    „Entschuldigen? Du? Matthias Emanuel Clausing?“ Er pfiff durch die Zähne.
    „Wegen gestern Abend“, druckste der Kapitän verlegen, aber genauso wütend, weil ihm sein Freund die Angelegenheit derart schwerzumachen gedachte. „Du weißt schon. Es war … reichlich blöd von mir. Ich habe keine Ahnung, was plötzlich in mich gefahren ist, mich so bekloppt aufzuführen.“
    Mit erzwungenem Lächeln erwiderte der Koch: „Na, so kann man das auch n ennen. Aber lass gut sein, Matt’n, ist schon vergessen. Du solltest wissen, dass ich nicht nachtragend bin. Wahrscheinlich habe ich ebenfalls überreagiert. Mir sind einfach die Nerven durchgegangen.“
    Er nahm Clausings ausgestreckte Hand und sah ihm fest in die nachtblauen Augen. Dann murmelte er reumütig seinerseits eine Entschuldigung: „Es kommt in letzter Zeit öfter vor.“
    „Was?“
    „Bin ein bisschen unausgeglichen.“
    „Es gab bislang keine Beschwerden deswegen.“
    „Das hatte ich auch nicht erwartet, Alter. Ich bin Profi.“
    Clausings Stimme klang diesmal nicht neugierig drängend, sondern ernsthaft besorgt, als er fragte: „Was ist los mit dir, Ossi?“
    „Was schon?“ Ziellos wanderte er im Zimmer auf und ab , noch immer das Handtuch in der Hand, welches er durch die Luft schwenkte. „Was soll schon sein? Ich war einfach nicht darauf vorbereitet. Auf dieses Wiedersehen. Es kam so plötzlich. Ich glaubte, ihr Lachen nach dem Essen in der Messe zu hören, und tat es als Hirngespinst ab. Einen Moment lang habe ich befürchtet, jetzt völlig den Verstand zu verlieren. Es hätte mich nicht gewundert. Dass ich sie seit dem Untergang jede Nacht höre, daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. Aber nun sogar tagsüber? Verdammt! Du warst es, der sie zum Lachen gebracht hat, nicht wahr?“
    Er lachte heiser auf und Matthias Clausing spürte die Unsicherheit un d Verzweiflung seines Freundes. Doch was sollte er sagen? Wie Ossi helfen?
    „ Die Wahrscheinlichkeit, Susanne gerade hier, ausgerechnet auf deinem Kahn anzutreffen, kam einem Sechser im Lotto gleich. Jeder kennt deine Vorliebe für Schiffe, die frei von Frauen sind – quasi keimfrei. Du hättest mich vorwarnen können. So von Freund zu Freund. Du weißt, ich kann Überraschungen nicht viel abgewinnen.“
    „Woher so llte ich denn … Der Ehrlichkeit halber muss ich zugeben, dass mich Frau Reichelts Anwesenheit im ersten Moment ebenfalls … geschockt hat“, umschrieb Clausing vage seine Gefühle bei der Begegnung mit der Funkerin.
    Ossi horchte auf. „Ah-ja. Und im zweiten Moment?“
    „Gute Frage. Ich habe keine Ahnung.

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