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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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hervor und versuchte angestrengt, den Verschluss zu öffnen. Seine Finger zitterten unkontrolliert, sodass mehrere der kleinen Dragees neben seiner hohlen Hand landeten und über den Teppichboden rollten. Er schien es nicht zu bemerken.
    Umso aufmerksamer hatte Clausing jede von Ossis mühsamen, unkonzentrierten Bewegungen verfolgt. Seine Augen blickten voll Sorge. Hätte der Schiffskoch ihn in diesem Moment angeschaut, hätte er den Schock über seinen Zustand in Clausings Augen erkannt. Aber er schenkte dem fassungslosen Gesichtsausdruck seines Freundes keine Beachtung.
    „ Seit wann geht das so? Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals zuvor Kopfschmerzen gehabt hättest, so starke Schmerzen, dass du Tabletten einnehmen musst.“
    „Irgendwann ist immer das erste Mal“, murmelte Ossi und schob sich hastig einige Tabletten in den Mund , ohne sie vorher abzuzählen. Der unerträglicher werdende Schmerz schien ihn von innen her aufzufressen. Er rieb sich zerstreut die Schläfe, ohne sich dessen bewusst zu sein. „Einen von deinen Spezial-Kaffees und ich bin wieder auf dem Damm.“
    „Klugscheißer. Wie viel von dem Zeug nimmst du?“
    „Keine Ahnung. Die sind so harmlos, dass man sie wie Bonbons essen kann.“
    Matthias Clausing glaubte seinem Freund kein einziges Wort. Und Ossi wusste das nur zu gut. Nein, er wollte nicht weiter über dieses Thema diskutieren. Ihn zum Sprechen und zu irgendwelchen Erklärungen zu bringen, wenn er schweigen wollte, war unmöglich. Clausing hatte keine Chance gegen seine Sturheit. Sie kannten sich beinahe ihr Leben lang, waren wie Brüder aufgewachsen und das erste Mal über längere Zeit getrennt, als der künftige Nautische Offizier die Seefahrtsschule besuchte und Ossi zu einer Eliteeinheit der Kampfschwimmer eingezogen wurde.
    „Die Sache mit Frau Reichelt lässt dir keine Ruhe.“
    Der Schiffskoch schloss müde die Augen. Lass du mich lieber in Ruhe, Alter, knurrte er in Gedanken. Geh endlich. Du musst mir nicht sagen, was so offensichtlich ist.
    „ Noch einmal: Es wird keine Probleme mit ihr geben, Matt’n, mein Wort darauf. Es ist … vorbei. Suse will es nicht. Sie. Will. Mich. Nicht.“ Überdeutlich artikulierte er jedes einzelne Wort, als würde Clausing seine Sprache nicht verstehen. Er versuchte ein Lächeln und machte eine endgültige Handbewegung. „Wirklich. Aus und vorbei. Und nun hau ab. Ich will mich für die Arbeit fertig machen. Oder bist du lebensmüde genug, den Jungs erklären zu wollen, dass es heute kein Frühstück gibt?“
    Unschlüss ig stand Matthias Clausing in der Kammer seines Freundes und bemerkte zögerlich: „Ich möchte ebenfalls keine Probleme mit dir bekommen, Ossi. Wir sollten heute … nein, warte, da haben wir den Lotsen an Bord. Lass uns morgen Abend miteinander reden.“
    Mit gespielt spöttischem Grinsen salutierte er vor dem Kapitän: „Aye, aye, Sir!“
    Dann drehte er sich um, ohne sich weiter von der Anwesenheit des Alten beeindrucken zu lassen. Wenn er Matt’n lange genug ignorierte, würde er schon seine Kammer verlassen, immerhin wurde der Kapitän auf der Brücke erwartet. Er nahm eine frisch gebügelte, weiße Kochjacke aus dem Kleiderschrank, streifte sie betont langsam über die breiten Schultern und ordnete anschließend demonstrativ und mit militärischer Akkuratesse sein Bettzeug. Aber aus den Augenwinkeln beobachtete er mit angehaltenem Atem den Kapitän, der sich lautlos zum Gehen wandte.
    Die Tür hatte sich noch nicht hinter ihm geschlossen, als Adrian mit vorgehaltener Hand ins Bad stürzte.

2 7. Kapitel
     
    „Erfahrung ist ein Phänomen, welches uns lehrt, neue Fehler zu machen, statt alte zu wiederholen.“
    Susanne konnte sich zwar nicht erklären, weshalb ihr in gerade dieser Sekunde Mehli in den Sinn kam, nichtsdestoweniger musste sie sich eingestehen, zumindest seine weisen Sprüche zu vermissen. Und da sie schon einmal dabei war, in Erinnerungen und Selbstmitleid zu baden, ließ sie auch gleich das Gefühl eines unbestimmten Verlustes zu. Mehr denn je fehlte ihr die Unbekümmertheit der Studienzeit, als sich die Kommilitonen in rauen Mengen um sie geschart hatten und ihre Freundinnen stets dann zur Stelle waren, wenn sie Trost oder Unterhaltung, einen Rat oder eine Schulter zum Anlehnen brauchte.
    Standhaft redete sie sich jetzt ein, dass sich ein Abschied leichter ertragen ließ, wenn die Bindungen nicht so eng geknüpft waren, und schwor sich, nie mehr ihr Herz über den Verstand regieren zu

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