Frau an Bord (Das Kleeblatt)
sonnengebräunte Gesichtshaut überzog sich mit einem niedlichen Rosaton und Suse hätte sich ohrfeigen können für ihre Direktheit. Allem Anschein nach hatte sie mit ihren Vermutungen genau ins Schwarze getroffen.
Bildete sie sich zumindest ein, denn w ie hätte sie ahnen können, dass Clausings Unterhaltung mit Adrian am Abend zuvor der eigentliche Grund für seine Unsicherheit war.
Völlig benommen schloss der Kapitän die Augen. Er wusste nicht, ob er vor Verblüffung erst einmal laut loslachen oder Suse besser gleich erwürgen sollte. Er schluckte und atmete tief ein. „Frau Reichelt, Sie sind gewaltig auf dem Holzweg, wenn Sie glauben, ich würde …“
Natürlich wollte er sie! U nd zwar um jeden Preis! Und dafür würde er ihr sogar das Blaue vom Himmel herunter lügen. Er würde es nicht schaffen, sich von ihr fernzuhalten.
„Seien Sie versichert, ich kenne meine Grenzen. Ungeachtet dessen, was in Ihrem Köpfchen vor sich geht, ist es meine Aufgabe als Schiffsführer, mit Ihnen die erforderlichen Details für Ihre Arbeit durchzusprechen.“ Der sachliche Ton in seiner Stimme gewann die Überhand und Clausing damit zurück zu seiner gewohnten Sicherheit.
Er wühlte in einem Papierstapel und fischte einige zusammengeheftete Blätter hervor, die er mit einer ruppigen Handbewegung und ausdruckslosem Gesicht seiner Funkerin unter das kecke Näschen hielt. In seinen Augen dagegen blitzte Verärgerung und verriet ihn. Er deutete auf die Schaltpläne und Gerätebeschreibungen auf dem Fußboden, auf seinem Schreibtisch und der Back.
„ Vergessen Sie nicht, die mitzunehmen. Überdies rate ich Ihnen, sich Ihre Dienstanweisung genau durchzulesen, damit Ihnen klar wird, in welcher Funktion ich mich an Bord befinde.“
Suse war sich nicht sicher, ob sie sich noch bewegen konnte, nachdem sie so entschieden auf ihren Platz verwiesen worden war. Er hatte nicht die Stimme erhoben oder sich zu irgendeiner Gefühlsregung hinreißen lassen, was seine Rüge nur noch schlimmer erscheinen ließ. Ein zerknirschtes Reuebekenntnis lag ihr auf der Zunge, als er mit einem kalten Lächeln die Hand Richtung Tür ausstreckte.
„ Guten Abend, Frau Reichelt.“
„Kapitän, warten Sie.“ Mit einem Ruck zog sie ihre Hand zurück, weil sie irrigerweise angenommen hatte, er wollte sich wie ein Mann mit Manieren von ihr verabschieden. „Ich reagiere manchmal etwas impulsiv. Außerdem rede ich … mmmh, eine Menge. Meist ohne nachzudenken, wie ich sehr zu meiner Schande gestehen muss. Es war nicht so gemeint.“
Aber natürlich, sie hatte ihn durchschaut und deswegen auch jedes Wort genau so gemeint, wie sie es gesagt hatte. Und wütend war er vor allem auf sich selbst, weil sie seine Absichten erraten hatte. Ja, er hatte sie in seine Kammer eingeladen mit dem Hintergedanken herauszufinden, ob sie in irgendeiner Weise Ossis Worte bestätigen würde, nämlich dass ihre Beziehung beendet war. Und er wollte sich ungestört mit ihr unterhalten und in Ruhe seinen Kaffee und ihre Gegenwart genießen. Er wollte ihre Aufmerksamkeit wenigstens für eine Weile allein für sich haben.
Susanne wartete geduldig auf seine Reaktion. Er indes schien ihre Anwesenheit gar nicht mehr wahrzunehmen. Seufzend ließ sie den Kopf sinken und schlich von dannen. Herzlichen Glückwunsch! Ihn, den über alle Zweifel erhabenen Kapitän, irgendwelcher unlauterer Hintergedanken verdächtigen und dann obendrein erwarten, er würde ihre billige Entschuldigung annehmen! Sie würde ihm nie wieder unter die Augen treten können.
Er wandte sich nicht um, als Suse leise die Tür hinter sich schloss. Seine Faust allerdings sprach eine eigene Sprache, als sie auf die Schreibtischplatte niederdonnerte. Der Zorn breitete sich wie eine gefräßige Bestie in ihm aus. Wie konnte es passieren, dass ihm die Gesprächsführung aus der Hand geglitten war und sich ihre Unterhaltung in eine vollkommen falsche Richtung entwickelt hatte? Er konnte für sich das verdammte Recht in Anspruch nehmen, mit seinem Funker zu reden, wo immer es ihm passte! Er war der Kapitän und konnte tun und lassen, was er für richtig hielt!
Doch ihm war auch eines klar: Wenn er jetzt nicht reagierte, kam es einer Kapitulation gleich. Und diese Blöße durfte er sich nicht geben.
Deswegen zögerte er keinen Augenblick, sondern raffte fluchend die Bedienungsanleitungen und Handbücher der Projektgruppe zusammen, die die Funkerin hatte liegenlassen. Den Arm voller Dokumente und Papiere stapfte er ein
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