Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
Vom Netzwerk:
drüben etwas Besonderes zu sehen?“
    Der Junge griente Susanne verlegen an. „Zu sehen? Na ja … jaaa, schätze schon. Haben Sie denn nicht mitgekriegt, dass …“ Er kratzte sich am Hinterkopf und sein Grinsen wurde noch breiter. „Also, die Kreuz- und Querfahrer von der ‚Barbara’ dürfen regelmäßig in den Ort und haben einiges erzählt. Sie sind ganz begeistert gewesen.“
    „Von Lerwick?“
    „Nicht direkt. Ich meine, nicht von dem Ort. Der kann keinen Hund hinterm Ofen hervorlocken. Sie schwärmten von … mmmh. Na, Sie wissen schon.“
    Da dämmerte ihr, worauf er hinauswollte. Mit einem himmlisch unschuldigen Gesicht hob sie die Schultern und beteuerte übertrieben pathetisch: „Nein. Was denn?“
    „Nun … von diesem … von einem gewissen Etablissement.“
    „Einem gewissen … Aaah , jetzt. Jaaa, ich verstehe.“ Es gelang Suse, ihre Belustigung nicht laut herauszugrölen, doch ihre Nasenspitze lief rot an, gerade so als würde es sie große Mühe kosten, es nicht zu tun. Sie räusperte sich mehrmals, bevor sie versicherte: „Was sein muss, muss sein, nicht wahr? Ich bin überzeugt, es gibt kein besseres Mittel gegen Testosteronvergiftung. Jeder Arzt würde das bestätigen.“
    „ Gegen Testo…“ Der Junge hüstelte angestrengt und wurde puterrot, als ihm die Bedeutung des Wortes aufging.
    „ Obwohl wir dafür eigentlich noch nicht lange genug unterwegs gewesen sein dürften.“ Von bitteren Erinnerungen heimgesucht verzog sie das Gesicht. „Aber man steckt in keinem drin. Manch einer fängt schon nach wenigen Tagen an, darunter zu leiden.“
    André Gaubert hatte nicht einmal eine Woche gebraucht, um jegliches Gefühl für gutes Benehmen und Anstand zu verlieren.
    „Es ist nicht gerade leicht für euch Männer, was?“, bemerkte sie dann mit perfekt gespieltem Bedauern in der Stimme.
    „Bei nur einer Frau an Bord ist das doch auch kein Wunder! Und der Alte wacht mit Argus-Augen über Sie, sodass uns nichts …“
    Dem Matrosen wich urplötzlich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Umständlich schob er seinen Pullover über das Handgelenk und schaute auf seine Uhr. „Dass wir pünktlich sind. Haben Sie schon gepackt? Eine halbe Stunde bloß noch. Ich beeile mich mal besser, weil ich nämlich … äh, meinen Pass suchen muss. Und Geld tauschen beim Funker.“
    „Der Funker steht vor Ihnen“, konnte Suse noch sagen, da hatte sich der Junge bereits mit einem Ruck von der Reling gelöst und rückwärts zum Schott geschoben, wo er mit einem gemurmelten „Tschüs, bis gleich“ verschwunden war.
    Sein überstürzter Abgang entlockte ihr ein Lächeln.
    Das zu Eis gefror, als seine Worte ihr Gehirn erreichten. Der Alte wachte über sie. Hatte er den Männern etwa verboten, sich ihr zu nähern? Mit ihr zu sprechen? Verdankte sie ihm, dass sie hier einsam und alleine rumhing? Dass nicht ein Besatzungsmitglied bislang auch bloß den Versuch unternommen hatte, sie zu einer Kammer-Party einzuladen?
    Grübelnd folgte sie dem Matrosen.
     
    Ein leises Geräusch an der Tür schreckte Suse aus ihren Gedanken. Sie wirbelte herum , als das Schott aufschwang und Adrian über das ganze Gesicht strahlend, gestiefelt und gespornt vor ihr stand. In der Hand hielt er seinen Rettungskragen.
    „Bist du soweit?“ Er beobachtete, wie sie auf die Schwimmweste starrte und weiß wie die Kammerwand wurde. „Sanni?“
    Sie atmete tief durch und nickte mechanisch.
    „Dann los. Wir warten auf dich. Und vergiss deine Weste nicht.“
    Sie schluckte angestrengt und schloss für einen Moment die Augen, die Hand auf ihr wild hämmerndes Herz gepresst.
    Überdeutlich konnte sie die Stewardess Simone Schill erkennen, die auf der Backbordseite der „Fritz Stoltz“ stand , während sich in ihrem Rücken die Wellenberge haushoch auftürmten und die Böen weiße Schaumfetzen von deren Gipfel rissen. Ihre vor Kälte klammen Finger hatte sie in die Stricke der Jakobsleiter gekrallt und sie nickte dem Alten ein letztes Mal zu.
    „Sanni, was hast du?“
    Sie schüttelte sich vor Grauen. Plötzlich flog ihr Kopf heftig hin und her. Der Knoten in ihrer Brust wurde so groß, dass sie kaum mehr Luft bekam.
    „Ich … ich kann nicht … mitkommen. Ich . Kann. Das. Nicht.“
    Adrian blickte auf und bemerkte panische Angst in ihren Augen. Er kannte diesen Ausdruck auf ihrem totenblassen Gesicht, sah ihn seit einem Jahr vor sich, jede Nacht. Er trat einen Schritt weiter in die Kammer und schloss geräuschlos das Schott hinter

Weitere Kostenlose Bücher