Frau an Bord (Das Kleeblatt)
einen Moment allein ließe.
Ob ihm nicht passte, dass Adrian sie in ihrer Kammer abgeholt hatte? Er musste doch wissen, dass sie sich von der letzten Fahrt auf der „Fritz Stoltz“ kannten. Hatte das der Matrose gemeint, als er sich beschwerte, der Alte würde über sie wachen? Nun, er konnte Adrian wohl kaum verbieten, sich mit ihr zu treffen! Sie würde ihn einfach fragen.
Und dann sollte dieser überhebliche Gockel besser dafür sorgen, dass kein Mordwerkzeug herumlag.
33. Kapitel
Angetan vom Charme des alten Wikingerstädtchens Lerwick vergaß Suse im Handumdrehen die unerfreuliche Szene in ihrer Kammer. Vielleicht hatte sie sich die plötzliche Kampfbereitschaft von Adrian und Clausing ja bloß eingebildet. Ihre Nerven hatten verrückt gespielt, daran war nichts zu deuteln, sodass sie sich nicht wundern sollte, wenn aus einer Mücke plötzlich ein Elefant wurde und sie sogar Gespenster sah.
Sie grübelte eine Weile, ob es in Adrians Absicht gelegen hatte, sich von der Gruppe abzusetzen, oder ob sich vielmehr die Männer klammheimlich, einer nach dem anderen und ohne das Aufsehen der einzigen Frau unter ihnen zu erregen, in das „gewisse Etablissement“ davongemacht hatten. Suchend blickte sie sich um und begegnete Adrians lachenden Augen.
„ Was ist? Du vermisst doch nicht etwa jemanden?“, erkundigte er sich mit unschuldsvoller Miene.
„ Na ja. Schon. Irgendwo. Wo sind die Jungs? Ich meine, ich weiß selbstverständlich, wo die meisten von ihnen hinwollten und zwar so schnell wie möglich, aber ich habe nicht mitbekommen … Noch dazu alle !“
„Ich glaube kaum, dass wirklich alle dorthin wollen.“
„ Und wo ist dann der Rest?“
„ Genügt es nicht, wenn ich bei dir bin?“
S use wackelte aufreizend mit ihrem kleinen Hinterteil. Sie konnte sich nicht erklären, was in sie gefahren war, ausgerechnet in dieser Sekunde an Matthias Clausing zu denken. Ob er sich ebenfalls an Land begeben hatte, um eine gewisse Befriedigung zu finden? Sie drehte sich noch einmal um. War es ihm nicht ebenso zuzutrauen, dass er hinter ihnen her schlich, um sie zu beobachten?
„ Du weißt, was sie vorhaben?“
„Das , was vermutlich auch wir jetzt tun würden, wenn wir an einem unbeobachteten Plätzchen wären.“
Bevor die verräterische Röte ihrer vollste Zustimmung signalisierte, beeilte sie sich zu sagen: „Mir ist dieses Problem nie so bewusst gewesen. Ich kann mich zum Beispiel nicht erinnern, während der Landgänge, die ich mit Ronny im Baltikum unternommen habe, jemanden auf Abwegen beobachtet zu haben.“
Im Bruchteil einer Sekunde gefror Adrians Lächeln. Wie kam sie gerade in diesem Moment dazu, an den kleinen Decksmann zu denken? Er musste einen wahrlich tiefen Eindruck in ihr hinterlassen haben und Adrian gestand sich kleinlaut ein, dass es Eifersucht war, die in seiner Brust wütete.
„Wusstest du , dass er estnische Vorfahren hat?“
„Nein“, knallte er ihr kurz angebunden an den Kopf , wenngleich ihm klar war, dass er ihr mit einer derart pampigen Antwort Unrecht tat. „Ist das so wichtig?“
„Mir schon. Wir haben uns über viele Dinge unterhalten, die nicht wirklich wichtig waren, für die ich mich nichtsdestotrotz interessiert habe. Ich mag es ganz einfach, andere Leute kennenzulernen, zu erfahren, wo sie herkommen und wo sie hinmöchten, was sie lieben oder hassen, wer sie sind. Ich habe keine Ahnung, wie du das anstellst, aber ich erreiche das am einfachsten, indem ich mich mit ihnen unterhalte“, erwiderte sie, eine Spur Verwunderung in der Stimme.
De n an ihn gerichteten und auf seine Wortkargheit zielenden Vorwurf überhörte er nicht, also fasste er mit einer versöhnlichen Geste ihre Hand und drückte sie kurz.
„Übrigens hast du vorhin mehr als eindrucksvoll bewiesen, dass du reden kannst “, dankte sie ihm lächelnd für sein Verständnis. „Hat dich das viel Überwindung gekostet?“
„ Mitunter heiligt der Zweck alle Mittel“, bemerkte er trocken. „Ich bin alt genug, um einschätzen zu können, wann man reden und wann besser handeln sollte. Und nun erzähle mir mehr von Ronald. Waren die estnischen Vorfahren von diesem kleinen Schwätzer der einzige Grund, mit ihm an Land gehen zu müssen?“
„ Ganz und gar nicht. Offensichtlich leidest du an Verkalkung, denn sonst würdest du dich erinnern, dass du in Klaimi nie Zeit für mich hattest.“
Er nickte , seine Miene indes verdüsterte sich und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
Weitere Kostenlose Bücher