Frau an Bord (Das Kleeblatt)
immer schon bekommen, was er wollte. Und ich hatte verdrängt, dass es nichts gibt, wozu er eine Frau nicht bringen könnte. Folglich habe ich die neuerliche Begegnung mit dir dem diplomatischen Geschick unseres Alten zu verdanken.“
Sie warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. „ Ganz Recht. Ihm habe ich zu verdanken, dass ich hier bin, weil er mir auf nette Art und Weise das Messer auf die Brust gesetzt hat.“
Was ich selbstverständlich nie zuwege gebracht hätte. Nicht einmal, als unser beider Leben auf dem Spiel stand, habe ich mich durchsetzen können. Du würdest es mir auch nicht zutrauen, ergänzte er in Gedanken, behielt indes einen weiteren, noch viel bitteren Kommentar zurück, der ihm auf der Zunge lag.
„Wir sollten jetzt wirklich gehen.“
„Sanni?“
S ie riss ihre Jacke vom Garderobenhaken und stapfte an Adrian vorbei hinaus auf den Gang. Schon im nächsten Moment kam sie erneut auf ihn zugestürzt, packte ihn an den Armen und gab ihm einen kurzen, heftigen Kuss.
„Was ich dir noch sagen wollte: Ich liebe dich , Adrian! So wie dich habe ich noch nie jemanden geliebt.“
Fassungslos erwiderte er ihren Blick. Dann stieg Angst in ihm auf. Sein Mund öffnete sich ohne sein Zutun, weil sich ihm eine Antwort auf dieses Geständnis regelrecht aufdrängte, und er holte tief Luft.
Doch da war sie längst fort.
Und überhäufte sich auf ihrem Weg zum Deck mit den absonderlichsten Schimpfwörtern für dieses Eigentor, welches sie mit ihrem Eintrag in die Liste der Landgänger geschossen hatte. Wieder einmal viel zu spät war ihr bewusst geworden, was so offensichtlich war, dass nämlich ein Schiff, welches auf Reede lag, nur über die Leiter verlassen werden konnte.
Tja, womit hatte sie denn sonst gerechnet? sinnierte sie. Mit einer Rolltreppe vielleicht? Oder einem fliegenden Teppich? Sie hatte, abgelenkt von ihrer Begeisterung über den ersten Ausflug mit Adrian, nicht einen Gedanken an dieses winzige Detail verschwendet.
Gleich darauf half ihr Adrian über die Reling und während sie mit steifen Bewegungen die schwankende Jakobsleiter in die Tiefe kletterte, redete er ununterbrochen auf sie ein. Sie konnte kein einziges Wort verstehen, starrte ihn aus großen Augen an und konnte nicht anders, als sich über seine unerwartete Redseligkeit wundern. In diesen wenigen Sekunden ihres Abstiegs an der Außenhaut des Kühlschiffes erzählte er ihr mehr als in all den Tagen, die sie sich kannten. Und einmal mehr erstaunte sie seine Fähigkeit, sich wie ein Chamäleon veränderten Umständen anzupassen. Er konnte also reden, wenn er musste. Wenn er es für erforderlich und sinnvoll erachtete.
Und n och während sie über eine befriedigende Erklärung grübelte, fühlte Suse zwei Hände, die sich um ihre Taille legten.
Es war Clausings samtweiche Stimme, die ihr beruhigend zuflüsterte: „Das haben Sie hervorragend gemacht , Wireless . Nehmen Sie jetzt Ihre Hände von der Leiter. Es ist alles in Ordnung. Ich lasse Sie nicht los, Susanne.“
Die befürchtete, dass aus eben diesem Grund etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Ihr blieb keine Gelegenheit , sich Gedanken über dieses beunruhigende Gefühl zu machen, und so schenkte sie ebenfalls der Doppeldeutigkeit seiner schmeichelnden Worte keine weitere Beachtung. Sie sah bloß, dass sich zwischen ihren Füßen und dem Wasser der feste Boden der Barkasse befand. Begleitet von hysterischem Gelächter wichen die Angst und Anspannung von ihr. Erleichtert atmete sie schließlich auf und wagte einen Blick die weiße Bordwand nach oben. So klein die „Heinrich“ im Vergleich zur „Fritz Stoltz“ oder den Fischtrawlern sein mochte, die Leiter war verdammt lang!
Leichtfüßig stieg Adrian die Jakobsleiter hinab und erreichte wenige Sekunden nach der Funkerin das Boot, als der Storekeeper auch schon den Motor anwarf und sich die Barkasse mit den Landgängern langsam von der „Heinrich“ entfernte.
Obwohl sich die beiden Freunde ungezwungen gaben und sich an den lebhaften Unterhaltungen der Männer beteiligten, war für Suse die Spannung zwischen Adrian und Clausing derart greifbar, dass sie sie beinahe gebeten hätte, sich zu ihnen zu setzen. Sie konnte sich den Grund für diesen stummen Zweikampf nicht recht erklären und beobachtete mit wachsender Besorgnis die misstrauischen Blicke, die der Kapitän und sein Koch tauschten. Plötzlich hatte sie das schreckliche Gefühl, einer von beiden würde das Boot nur in Bruchstücken verlassen, wenn man sie
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