Frau an Bord (Das Kleeblatt)
Hast du das nicht selbst behauptet?“
„Das war auf einem sinkenden Schiff mitten im stürmischen Atlantik“, gab er gereizt zurück. „Es war e ine vollkommen andere Situation.“
„Ich kann mir nicht hel fen, irgendwie bist du heute … nicht du selbst.“
War es das, was er vor ihr versteckte? Seine Liebe zu einem weiten Land, wo er sich frei fühlte und die Magie – was immer er darunter verstehen mochte – lebte? Träumte er von einem Wind, der mit ihm redete? Und war sein Verlangen nach ihr so groß?
Sie blickte sich verstohlen nach ihm um. In der Tat, immer noch. Trotzdem, irgendetwas war mit ihm hier geschehen. Und sie gäbe eines ihrer Funkerohren für die Lösung des neuerlichen Rätsels, das er ihr mit seinen Andeutungen aufgegeben hatte.
„Erzähl st du mir von deiner Traum- und Wunsch-Ecke?“
„ So etwas gibt es bei mir nicht“, entgegnete er verschlossen.
Sie hatte d en Eindruck, dass er wütend auf sie war, obwohl sie sich dessen natürlich nicht sicher sein konnte. Er hatte wieder diesen stoischen Gesichtsausdruck aufgesetzt, der sie zur Verzweiflung bringen konnte, weil er nicht die kleinste Gefühlsregung nach draußen dringen ließ.
„Wo ist das: bei mir? Wo hast du dein Zuhause?“
„Mal hier, mal da“, knurrte er.
Ihm behagte dieses Thema ganz und gar nicht. Er hoffte, sie würde es merken, ohne dass er noch deutlicher werden musste. Und er wünschte sich zum Teufel, da er nicht einmal mehr in der Lage war, seine Begierde zu zügeln! Unwillkürlich beschleunigte er seinen Schritt und zog nun seinerseits die Frau hinter sich her.
„Und wo wohnst du im Moment?“, erkundigte sie sich japsend. „Für den Fall, dass ich dich irgendwann mal besuchen will. Nach dieser Reise. Oder so.“
„Auf der ‚Heinrich’.“
Sein übellauniger Ton ließ Sus anne nicht daran zweifeln, dass er keineswegs beabsichtigt hatte zu scherzen. Auch gut! Er wollte ihr also das Vergnügen lassen, den Umweg über die Besatzungsliste zu nehmen.
„ Ich hatte angenommen, das wüsstest du.“
„Kann es sein, dass du meinen Fragen nach deiner Familie bewusst ausweichst?“
„Hmpf.“
„ Würdest du mir das freundlicherweise ins Deutsche übersetzen?“
„Jaaa“, wiederholte er brav und zog das Wort unverschämt in die Länge , wobei er genervt mit den Augen rollte.
„ Das habe ich gesehen! Sagst du mir wenigstens, warum ich nicht danach fragen soll?“, schnaufte sie inzwischen völlig außer Atem.
Adrian war im Vergleich zu seinem Freund Matthias Clausing eher körperliches Mittelmaß, mit der Länge seiner Beine konnten sich ihre allerdings ebenso wenig messen. Und sie konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn sich Größere, egal ob lautstark grölend oder ganz still vor sich hin kichernd, über ihre mickrige Körpergröße lustig machten!
„Mmmh“, gab er zurück , ohne langsamer zu werden, obwohl er doch hören musste, wie sie mühsam nach Luft rang.
„Das war ein Nein?“
Mit einem Ruck blieb er stehen und Suse prallte voll Schwung mit der Nase voran gegen sein breites Kreuz. Er fuhr herum, packte sie blitzschnell an den Oberarmen, damit sie nicht fiel, und hielt sie gleichzeitig eine Armlänge auf Distanz.
„S usanne, sei mir nicht böse. Ich möchte nicht darüber reden und keine Fragen mehr zu diesem Thema beantworten. Denn wenn du weiterhin so trödelst, werden wir das Boot verpassen. Es ist schon zu kalt, um zurück zu schwimmen.“
Obwohl es ihm in diesem Moment wahrlich nicht kalt genug sein konnte, damit das Feuer in seinem Inneren erlosch.
Bis hierher also und nicht einen Schritt weiter, sollte das wahrscheinl ich bedeuten. Aber sie hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, hinter seine Geheimnisse zu kommen. Sie musste ihn endlich kennenlernen! Wie jedoch sollte sie ihm vertrauen, wenn sie nicht wusste, was in seinem Leben vorging, woran er die meiste Zeit über dachte, woran seine Erinnerungen hingen und was er sich wünschte? Er weigerte sich, mit ihr diese alltäglichen Dinge zu teilen. Musste sie nicht annehmen, er würde etwas vor ihr verbergen? Irgendwelche vergammelten Leichen, die in seinem Keller auf ihre Entdeckung warteten?
Er setzte sich wieder in Bewegung und erwartete offenbar, dass sie ihm ohne Wi derrede folgte. Zumindest schaute er sich nicht nach ihr um. Er würde sie also genauso ungerührt allein in dieser Wildnis zurücklassen! Was für ein ungehobelter Klotz er mitunter war!
„Weißt du überhaupt, wo wir lang müssen?“, schrie sie
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