Frau an Bord (Das Kleeblatt)
nicht meine Absicht. Und im Funkschapp hatte ich um diese Zeit schon gar nichts zu suchen. Ich gebe reumütig zu: Es war eine ziemlich primitive Ausrede, die jeglicher Grundlage entbehrte.“
„Ich habe es geglaubt“, versicherte er ernsthaft.
„Wie nett von Ihnen. Bis zum heutigen Tag hat mir noch nie jemand meine Lügen abgenommen. Sie sind …“ Susanne biss sich hastig auf die Unterlippe und rümpfte ihre Stupsnase. Die Worte, die durch ihren Kopf spukten und unbedacht über ihre Lippen gepurzelt wären, hätte sie nicht schnell einen Finger darüber gelegt, waren nicht für die Ohren dieses Mannes gedacht. „Also, ich werde es bestimmt wiedergutmachen. Schließlich verdanke ich es Ihrer Geistesgegenwart, dass ich jetzt und hier in einem Stück sitze.“
Das war es, worauf er gewartet hatte! Er nickte bedächtig und packte das wohl erste Mal in seinem Leben die Gelegenheit beim Schopf.
„D ann möchte ich Sie bitten mitzukommen“, beeilte er sich zu sagen, bevor ihn wieder der Mut verließ. Sein Gesicht nahm erneut eine zartrosa Färbung an.
Was der Funkerin zu seinem Glück nicht auffiel, da sie ohne Zögern ihr Tagebuch zuklappte und sich von der Backskiste erhob, um ihm zu folgen. Er starrte sie aus seinen großen, rehbraunen Augen an, als hätte sie Bleistifte in den Nasenlöchern stecken, und verharrte wie angewurzelt auf der Türschwelle.
„Das war wohl nicht ernst gemeint?“ Schwang da etwa Enttäuschung in ihrer Stimme? „Oder habe ich Sie falsch verstanden?“
Wenngleich seine Miene mittlerweile grenzenlose Erleichterung widerspiegelte, war er von ihrer unerwarteten Spontanität dermaßen überrascht, dass er glaubte, ihr eine Erklärung schuldig zu sein.
„ Nein. Nein, natürlich nicht. Ich war nur der Meinung … Es ist nämlich so, dass Sissi noch eine Flasche Alkohol zu viel im Spind versteckt hält. Wenn sie das Rohr nicht vor Klaimi loswird, bekommt sie Ärger mit dem Zoll. Und das kann ziemlich teuer werden, wissen Sie?“
„ Nun, jetzt schon. Aber sagen Sie mir eins, müssen Sie sich immer für alles entschuldigen und rechtfertigen?“
Lachend trat sie noch einen Schritt näher auf den Koch zu, der regelrecht erschrocken vor ihr zurückwich, bis ihm die Koje den Weg versperrte.
Mit einer beruhigenden Geste hob Susanne ihre Hände. „Was ist? Ich will Ihnen nichts tun. Ich weiß, dass Simone heute Abend eine Session geplant hat. Sie hat mich selbst eingeladen. Allerdings wäre ich auch dann mit Ihnen gegangen, wenn Sie …“
Sie kam nicht dazu , den Satz zu Ende zu sprechen, denn Simone erwartete die beiden bereits in der Kammer gegenüber. Über das ganze Gesicht strahlend winkte sie lässig zur Begrüßung.
„Schön, dass du gekommen bist, Funki. Ehrlich, unserem Köchlein hätte ich eher zugetraut, dass er sich zu Fuß auf den Weg nach Timbuktu macht, statt deine Kammer zu betreten.“
Die Stewardess schob sich schwerfällig von der Backskiste und bedeutete Sus anne und Ossi, an ihrer Stelle auf der schmalen Bank Platz zu nehmen.
„Man lernt nie aus“, murmelte sie verblüfft und fügte laut hinzu: „ Ich setze mich lieber hierher. Von da komme ich besser an die Getränke.“
I hr Blick streifte wie beiläufig den Koch. Dieser kurze Augenblick indes genügte, um seine Mordgedanken zu erraten. Sie wusste von deiner Einladung, du hinterhältiges Weib! schien er ihr entrüstet vorzuwerfen. Susanne war fest entschlossen zu kommen und sie ist nicht schüchtern. Und du? Du hast es gewusst! Warum? Wolltest du mich ins offene Messer laufen lassen?
Na und? formten ihre Lippen und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Halt die Klappe und mach dich ans Werk!
Er hoffte, seine Miene würde wenigstens einen Bruchteil der Verärgerung ausdrücken, die er in dieser Sekunde empfand. Er wusste ganz genau, weshalb es besser war, Frauen aus dem Weg zu gehen. Gleichwohl war er wieder auf ihre Spielchen hereingefallen! Dabei hatte er – Narr, der er war! – sich eingebildet, Simone sei eine Ausnahme.
D ie grinste nach wie vor lässig und breit, während sie beide Türen des Kleiderschrankes öffnete und ihren Gästen eine beachtliche Batterie verschiedenster Flaschen und Dosen präsentierte. „ Voilà! Die Bar ist eröffnet. Was möchtet ihr trinken? Ossi, mein Bester, du das Gleiche wie sonst auch?“
Sie beugte sich über die Back, tätschelte dem Koch großmütig die Wange und raunte dabei Susanne ins Ohr: „Das ist die obligatorische Frage an unser Köchlein, ob er auch
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