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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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lächerlich. Es war total absurd. Sie wusste schließlich, wie er aussah, trotzdem brachte allein sein Anblick sie aus dem Gleichgewicht.
    Als hätte er Angst, die Frau könnte so unverhofft, wie sie aufgetaucht war, auch wieder verschwinden, katapultierte er sich aus seinem Sessel und umrundete mit raumgreifenden Schritten den Schreibtisch, bis er dicht vor Susanne stand. Sie konnte seinen warmen, nach Whiskey riechenden Atem an ihrer Wange spüren. Er ist entschieden zu groß, dachte sie nicht zum ersten Mal, selbst ohne Schuhe. Wie groß, wurde ihr bewusst, als ihre Nase mit seinem zweiten Hemdknopf kollidierte, weil er leicht vor und zurück wankte.
    „Kommen Sie, setzen Sie sich einen Moment zu mir. Ich hatte sowieso gerade vor , eine Pause zu machen.“
    „ Sie haben gearbeitet?“ Mit skeptischer Miene schaute sie zu seinem Schreibtisch und hörte sein tiefes, träges Lachen.
    „Das habe ich in der Tat, denn stellen Sie sich vor, ich gehöre zu jener bewundernswerten Sorte Mensch, die erfolgreich mehrere Dinge gleichzeitig tun kann. Hatten Sie daran etwa irgendwelche Zweifel?“
    „ Tut mir leid, Kaptein. Die Störung, meine ich. Ich wollte …“
    „ Ebenfalls einen Kaffee?“
    Die unerwartete Besucherin immer im Auge behaltend , griff er nach der Thermoskanne auf dem Tischchen unter dem Geschirrschrank und wedelte damit hin und her.
    „ Es ist besser, wenn ich morgen wieder komme. War auch gar nicht so wichtig, dass ich zu dieser späten Stunde …“
    „ Es ist noch nicht mal Zwölf. Und Sie sind hier.“
    „Ausgerechnet den Kapitän zu belästigen …“
    Er ließ ihre Reue nicht weiter bis zu krankhafter Größe gedeihen, sondern unterbrach sie im Befehlston: „Schluss damit!“, nur um gleich darauf mit einem Sonntagslächeln auf den Lippen Suses Handgelenk zu ergreifen und sie hinter sich herzuziehen. Mit sanftem Druck schob er sie zu der Backskiste unter dem Fenster.
    Seit ihrem ersten Tag auf der „Heinrich“ hatte sie hier regelmäßig gesessen, dem Alten Bericht erstattet, sich Rat geholt und mit ihm über den Fortgang der umfangreichen Arbeiten diskutiert, die sie im Pilotprojekt der Reederei übernommen hatte. In der Zwischenzeit hatte sie es sogar fertiggebracht, Clausing mit ihrer Begeisterung für die neue Elektronik an Bord anzustecken. Ihrer Anwesenheit in der Kapitänskajüte hatte sie nie eine besondere Bedeutung beigemessen, nichtsdestotrotz fühlte sie sich heute unbehaglich. Irgendetwas geschah, das sie nicht erklären konnte. Und das machte ihr aus eben diesem Grund Angst. Ob es an dem vielen Champagner lag, den sie mit dem Funker der „Dichterfürst“ getrunken hatte und ihre Sinne vernebelte?
    „ Ein Kapitän ist immer im Dienst und dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob er sich einen Drink genehmigt oder keine Schuhe an den Füßen trägt. Also keine Entschuldigung, Wireless , nicht von Ihnen. Sie sind eingeladen und mir stets willkommen, egal zu welcher Stunde und aus welchem Grund.“
    Verlegen strich er sich über die Bartstoppeln an seinem kantigen, energischen Kinn und wandte sich dem Geschirrschrank zu, aus dem er zwei Ta ssen und eine Schale mit Plätzchen holte.
    War das nicht gleich ein bisschen zu deutlich gewesen?
    Genau das fragte sich jetzt auch die junge Frau, die schlagartig nüchtern war, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. Himmel hilf, wie blind lief sie denn noch immer durch diese Welt? Adrian hatte natürlich seinen Freund mit der Konkurrenz für ihn gemeint! Sie hatte sich über den seltsamen Ausdruck auf dessen Gesicht gewundert, als er Adrian in ihrer Kammer angetroffen hatte, aber nicht einmal die testosterongesteuerte Darbietung auf der Bootsfahrt zum Hafen von Lerwick hatte ihr die Augen geöffnet. Dass es Clausing mit Missbehagen beobachte, wenn sich ein Mitglied der Mannschaft mit seinem weiblichen Offizier einließ, wusste sie spätestens seit ihrer lautstarken Auseinandersetzung mit Adrian in ihrer Kammer.
    Doch das war alles nichts im Vergleich zu dieser Erkenntnis. Verdammt noch mal, Adrian ließ sie ins offene Messer laufen! Und dabei hätte er sie vor Clausing warnen müssen!
    „Sie mögen lieber Vermouth als Kaffee um diese Zeit?“, platzte Clausing in Suses Gedanken.
    Misstrauisch schaute sie zu ihm auf und ihr Herzschlag setzte aus. Seine blauen Augen glühten und die Hitze schien auf sie überzuspringen. Mit seinem wirren Haar und dem verhangenen Blick wirkte er regelrecht dämonisch. Verrucht.
    Du scheinheiliger Patron!

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