Frau an Bord (Das Kleeblatt)
den Becher unter dem laufenden Wasserhahn ausspülte, fiel ihm eine Begebenheit ein, der er zunächst keine sonderliche Bedeutung beigemessen hatte, die ihm jetzt allerdings in einem völlig anderen Licht erschien.
Nach dem Mittagessen hatten die Nautiker bei einer Kanne Kaffee in der Messe gesessen, sodass er unfreiwillig ihre Unterhaltung mithören musste, da er noch in der Kombüse beschäftigt war. Die Männer schimpften lauthals, weil erneut ein Radargerät ausgefallen war und das, obwohl es die Funkerin angeblich gestern Abend repariert hatte. Fragte sich bloß, wo sie dabei mit ihren Gedanken gewesen war. Na, wo schon? Niemand wusste so recht, in welcher Koje sie ihre Nächte verbrachte. In ihrer eigenen zumindest nicht! Und der Funker von der „Dichterfürst“ hatte nach seinem stundenlangen Besuch in ihrem Schapp den Männern seines Schiffes den Mund wässrig gemacht und lautstark von der scharfen Braut geschwärmt, die auf der „Heinrich“ fuhr.
Sardonisches Gelächter der Offiziere begleitete den bissigen Kommentar des Zweiten.
Er selber, Adrian, hatte nicht verstehen können, was er gesagt hatte. Doch augenscheinlich rief die Arbeit der Funkerin nicht das erste Mal den Unwillen der Männer hervor.
Stattdessen, so l ästerten sie weiter, würde sie – nach seinem ausdrücklichen Befehl, in dieser Zeit unter keinen Umständen gestört zu werden – Ewigkeiten beim Alten in der Kammer hocken, um, wie es hieß, Probleme bei der Installation der neuen Elektronik zu besprechen, wozu selbstverständlich der Spezialkaffee des Kapitäns gehörte und zwar der für ganz besondere Gäste. Aber das kannte man ja. Die Schönsten krallte sich der Alte, während sie sich mit den Hafennutten in Lerwick begnügen mussten.
Zunächst hatte er sich nichts bei dem Gerede der Männer gedacht. Er wusste es schließlich besser. Seit Suse ihm allerdings vor wenigen Minuten versichert hatte, Matt ’n würde nicht mehr auf seiner Abmusterung von der „Heinrich“ bestehen, war es keine große Kunst, sich einen Reim auf ihre gereizte Stimmung zu machen.
Warum hatte sie ihm nichts von i hren häufigen Besuchen bei Matt’n erzählt? Dienstliche Gespräche und dann immer auf Clausings Kammer? Er würde sie fragen. Und dann würde sie ihm eine einleuchtende Antwort geben. So einfach wäre das.
W arum hatte sie sich nicht dazu geäußert, was Matt’n dazu bewogen hatte, seine sonst unumstößliche Meinung zu ändern? Und welche Rolle sie dabei spielte?
Gedankenverloren lief er in der Kammer auf und ab. Zehn Minuten. Inzwischen sollte sie gefunden haben, was sie suchte. Er nahm das Buch in die Hand, das sie zwischen den Gerätebeschreibungen hervorgezogen und dann einfach in das oberste Fach ihres Kleiderschrankes gelegt hatte, wo es sicherlich ebenso wenig hingehörte. Während er als Seemann es nicht mochte, wenn in den ohnehin engen Kammern überall Dinge herumlagen, war Ordnung halten für Suse schon immer ein Akt sträflicher Zeitverschwendung gewesen.
Instinktiv schlug er das Buch auf und las die Widmung auf der ersten Seite: „Meiner besten Freundin“. Es war Suses Tagebuch!
Hastig legte er es in den Schrank zurück, als hätte er Angst, es könnte sich in seinen Händen in eine Fleisch fressende Pflanze verwandeln. Vorsichtshalber trat er noch einen Schritt beiseite. Das ging ihn nichts an, selbst wenn er darin vielleicht die Antworten finden würde, die ihm Suse nicht geben wollte.
Wo blieb sie bloß so lange? Ob sie … möglicherweise …
Nein, sie war sicher aufgehalten worden. Von irgendjemandem.
Auch auf d em Weg zu seiner Kammer ein Deck tiefer begegnete er ihr nicht. Sein Verdacht, Susanne wollte ihm nicht unter die Augen treten, verstärkte sich. Ganz bestimmt brauchte sie lediglich etwas Ruhe, mühte er sich, seine Bedenken zu zerstreuen, sie musste wahrscheinlich mit sich selbst erst einmal ins Reine kommen. Immerhin hatte sie ein Jahr lang versucht, ihn zu vergessen. Verständlicherweise war sie dann nicht sehr erbaut davon gewesen, ihn an Bord der „Heinrich“ wiederzusehen.
Zugegeben, ihr Verhältnis hatte sich – völlig untypisch für ihn und nicht allein deshalb in seinen Augen ein untrügliches Zeichen für die Tiefe seiner Gefühle – bereits auf der „Fritz Stoltz“ im Eilzugtempo entwickelt.
Und? War es damals gut gegan gen? Mitnichten!
Konnte er Suse also verübeln, wenn sie Bedenken angesichts einer neuerlichen Verbindung hegte? Außerdem war da noch immer diese blöde Sache
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