Frau an Bord (Das Kleeblatt)
übertrieben in den Wind, denn dass die Spannungen eines Tages eskalieren könnten, hätte Suse nicht einmal im Traum für möglich gehalten. Sie wusste nichts von den heimlich abgeschlossenen Wetten um die Chancen der Männer bei ihr, ansonsten wäre sie wahrscheinlich sehr viel vorsichtiger gewesen. Vermutlich hätte sie sich sogar in ihrer Kammer eingeschlossen und wäre nie wieder an einem Platz aufgetaucht, wo sich mehr als zwei Männer aufhielten.
S o indes nahm das Schicksal unaufhaltsam seinen Lauf.
8 . Kapitel
Niemand verschwendete einen Gedanken an die bierseligen Sprüche von Locke, früher oder später im Schoß der Funkerin zu landen. Nicht so der Vollmatrose selber, den es an seiner Ehre kratzte, weil ein anderer mit seinen Bemühungen um Suse mehr Erfolg hatte, und der an diesem Abend fand, es wäre nun endlich an der Zeit, daran etwas zu ändern. Irgendeine Möglichkeit musste er finden, sie ohne ihre lästigen Schatten Ossi, Ronald oder Botho zwischen die Finger zu bekommen, damit er sie von seinen Vorzügen überzeugen konnte und dieser kleine Koch bloß noch ein lächerliches Abziehbild blieb.
Susanne hatte Gaubert nicht unter den Männern im Clubraum entdeckt. Wahrscheinlich hatte er die Schwarze-Peter-Karte gezogen: Brückenwache bis Mitternacht. Oh nein, dachte sie und rieb sich kichernd die Hände, Schadenfreude konnte man ihr bestimmt nicht vorwerfen. Obwohl er ihr nie zu nahe getreten war, mochte sie die aufdringliche Art und Weise nicht, in der er sie begutachtete oder anzügliche Witze von sich gab. Um keine Auseinandersetzung mit ihm zu provozieren, ging sie Locke am liebsten aus dem Weg.
In diesem Moment verabschiedete sie sich von Adrian und Simone und klopfte auch zum „Gute Nacht“ auf die Back, an welcher Botho, Ronny und der Maschinen-Assi Rolf Graneß sichtlich enttäuscht von Suses zeitigem Aufbruch saßen. Gerade jetzt, wo der E-Mix die richtige Tanzmusik auflegte und Ronny mit aufforderndem Hüftschwung deutlich machte, dass er mit der besten Tänzerin der Welt die Disco zu eröffnen gedachte. Na ja, da war nichts zu machen.
Der kleine Decksmann zwinkerte Suse verschwörerisch zu, hütete sich dagegen tunlichst, sie zum Bleiben zu bewegen. Ronny wusste, wenn Suse zu etwas keine Lust hatte, konnte man sie mit keinem noch so überzeugenden Argument überreden, es trotzdem zu tun. Ihr Dickkopf spottete jeder Beschreibung.
Sie winkte lachend ab . „Tut mir leid, heute wirklich nicht mehr. Ach, noch was, bevor ich’s wieder vergesse. Hat jemand den Bootsmann gesehen? In unserem Bad tropft der Wasserhahn, habe ich total verschwitzt und ich weiß nicht, ob Sissi schon mit ihm gesprochen hat. Er muss sich unbedingt drum kümmern. Ist schließlich Trinkwasser, was da wegläuft. Und für die Rationierung wie bei der letzten Reise will ich nicht verantwortlich sein.“
Blitzschnell war Rolf Graneß aufgesprungen. Er schwankte bedrohlich vor und zurück und griff dreimal daneben, bis er es schaffte, mit dem Zeigefinger seine Brille auf der Nase nach oben zu schieben. Unwillkürlich zog sich Suse einen Schritt zurück und hielt ihre Hände schützend über den Kopf.
„Warum fragsss…t du nich’ mich?“, lallte er mit schwerer Zunge.
„Weil du kein passendes Werkzeug hast. Richtig, mein Großer?“
Sein anzügliches Grienen zog ihm den Mund von einem Ohr bis zum andern. „Dasss wer’n wir sehn. Pro… probr…brier… Lass uns gucken, ob mein Werksss…zeug passt. Ich krieg den Hahn dicht.“
Suse stellte sich auf die Zehenspitzen , fuhr dem Maschinisten durch das zerzauste Haar und tippte ihm mit dem Zeigefinger vor die breite Brust. „Übernimm dich nicht, Rolfi.“
Un ter dem leichten Druck ihres Fingers taumelte er zurück und sein Mitleid erregender Seufzer ging im schallenden Gelächter der Männer unter, als er wie ein nasser Sack auf der Bank neben Ronny zusammensackte.
Suse legte ihm tröstend den Arm um die Schulter und tätschelte ihm die Wange. „Da ist es doch besser, ich halte mich an die wahren Profis.“
Unzufrieden vor sich hin brummelnd kapitulierte der Maschinist. Wenn sie in dem sonnengelben, hautengen Kleid nur nicht so verdammt verführerisch aussehen würde! Versuchte sie, ihn umzubringen? Und wie raffiniert sie sich heute das lange Haar hochgesteckt hatte. Es sah ganz so aus, als hätte sie es lediglich aus einem Grund geflochten, dass nämlich ein Mann es wieder löste und wie einen goldenen Wasserfall über ihre Schultern fließen
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