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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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Matschbirne.“
    Er musterte Suse derart eindringlich, dass sie den Verdacht nicht loswurde, er wüsste, was an jenem Abend passiert war. Sie spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Ronny wurde ausgetauscht! Ausgerechnet er! Natürlich war ihr klar, dass er sich nach seinem mysteriösen Sturz mit dem Kopf voran gegen ein Feuerschott bisher nicht erholt hatte. Der für die medizinische Versorgung zuständige Second Mate konnte nicht viel tun angesichts der Schwere von Ronnys Kopfverletzung. Kurzerhand hatten sie also Ersatz für den Decksmann angefordert, da es sich der Alte nicht leisten konnte, ein unnötiges Risiko auf der bevorstehenden, monatelangen Reise einzugehen.
    Suse trauerte dem lebenslustigen Energiebündel schon nach, noch ehe er von Bord gegangen war. Es war alles ihre Schuld! Warum war sie nicht wie all die anderen im Clubraum geblieben, wo ihr nichts passiert wäre? Wenn sie wenigstens das Bad abgeschlossen hätte! In den kurzen Momenten, wenn Ronald einigermaßen klar denken konnte, hatte er ihr das Versprechen abgerungen, die Wahrheit über die Ursache seiner Verletzung für sich zu behalten. Sie verstand seine Beweggründe nicht, gab dennoch irgendwann nach, um ihn nicht unnötig aufzuregen.
    Si e hatte die Zusammenhänge ohnehin nie ganz verstanden.
    Tatsächlich wussten lediglich Adrian und Ronald, was sich an jenem Abend abgespielt hatte, und die beiden Männer waren sich ohne viele Worte einig gewesen, Suse nichts von ihrer folgenschweren Prügelei zu erzählen. So hielt sie nach wie vor Gaubert für den Urheber von Ronnys Verletzung und es widerstrebte ihr, mit ihrem Versprechen ausgerechnet ihn zu decken, diesen widerwärtigen, selbstherrlichen Matrosen.
    Wie hätte sie auch ahnen können , dass sie mit ihrem Schweigen vor allem den Schiffskoch schützte?
     
    Wenige Stunden später folgte dem Gerücht die offizielle Bestätigung durch den Kapitän. Rupert Frisko verkündete beim Mittagessen in der Messe, dass die „Fritz Stoltz“ mit den Rohren und Coils, die dieses Mal in Klaipėda übernommen worden waren, zunächst bis Rotterdam weiterfahren würde.
    Botho sc haute triumphierend zu Suse und hob den Daumen. Betont gleichgültig zuckte sie mit der Schulter und sägte an ihrem Putenschnitzel herum.
    Fieberhaft, aufgeregt und von manch einem der Besatzungsmitglieder kopflos wurde die dreimonatige Fahrt nach Fernost vorbereitet. Kaum einer von ihnen hatte mit einer solch langen Abwesenheit von zu Hause gerechnet. Suse beobachtete amüsiert das hektische Treiben der Männer, als ginge sie selber diese Reise gar nichts an.
    Unvermittelt fiel den Männern ein, dass sie verheiratet waren und noch kein Geburtstagsgeschenk für die liebe Gattin in einem Monat besorgt hatten, dass man sich nach dieser Reise um Heizöl für den Winter kümmern und den Keller aufräumen wollte oder in zehn Wochen der Verlobten die Geburt des gemeinsamen Kindes bevorstand (und man mit einer Asienreise unliebsamen Überraschungen wie etwa die einer vorgezogenen Hochzeit entging). Wollte man nicht auch das Auto reparieren lassen, sobald man aus dem Baltikum zurück war? Und die Eltern, Tanten, Neffen und Freunde würden einmal mehr vergeblich auf den immer wieder verschobenen Besuch warten.
    W em würde wohl in den Sinn kommen, dass sich ihre Angehörigen längst darauf eingestellt hatten, ohne Männer auszukommen? Es wandelte nun einmal keine Spezies auf Erden, die unzuverlässiger und von daher für das Funktionieren einer Familie entbehrlicher war als die der Seeleute.
    Suse stand auf dem Wetterdeck und verfolgte das Bunkern der Vorräte für die Fahrt. Sogar vier in Netze verpackte Nadelbäume hatte sie entdeckt. Meine Güte! Weihnachten? Ihre Hauptsorge galt der Auswahl der Kleidung, die sie für eine Fahrt durch mehrere Klimazonen benötigte, und ob ihr Vorrat an Büchern ausreichen würde. Obwohl sie ihre Eltern und ihren Bruder Jasdan über alles liebte, machte sie im Geheimen drei Kreuze, frei und ungebunden zu sein.
    E inen Tag später machte der Massengutfrachter „Fritz Stoltz“ in seinem Heimathafen die Leinen los. Nicht einmal Hafenspringer waren während dieser Zeit an Bord gekommen, um die Besatzung abzulösen, weil selbst die Ortsansässigen nicht an Land durften, um daheim nach dem Rechten zu sehen und die Ehefrau mit einem Kurzbesuch zu überraschen.
    Was für eine Reise stand ihr bevor! Allmählich begann sich auch in Suse so etwas wie Lampenfieber auszubreiten. Von Rotterdam aus sollte die

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