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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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lange Haare. Eine halbe Stunde blieb noch bis zum Abendessen, danach würde sie sofort Hans Nienberg im Funkschapp ablösen. Sie seufzte zum Steinerweichen. Wie jedes Mal, wenn sie darüber nachdachte, ärgerte sie sich über die Tatsache, ausgerechnet dann Freizeit zu haben, wenn Adrian in seiner Kombüse beschäftigt war und umgekehrt.
    Lediglich die Nächte blieben ihnen. Doch selbst die waren meist viel zu kurz, wie sie fand. Mitunter kam sie erst nach zweiundzwanzig Uhr aus dem Funkschapp , sodass sie oftmals zu müde war, um länger, als es brauchte, eine Buddel Bier zu leeren, gemeinsam mit den Freunden in einer der Kammern zusammenzusitzen. Denn kurz nach fünf Uhr schrillte in Adrians Kammer das Bordtelefon, um den Koch und damit unbeabsichtigt auch sie selber aus dem Schlaf zu reißen und an die Arbeit zu rufen.
    Adrian schien das zeitige Aufstehen im Gegensatz zu ihr nicht das Geringste auszumachen. Meist schaffte er es, sich leise aus dem Bett zu stehlen, ohne sie zu wecken, und den Hörer vor dem Klingeln abzuheben, sodass sie noch zwei Stunden ungestört schlafen konnte. Wenn sie es recht bedachte, so ging es ihr durch den Kopf, schlief er auch nie vor ihr ein. Benötigte er überhaupt Schlaf? Auf mehr als vier oder fünf Stunden pro Nacht kam er sicher nicht. Was für ein Mann!
    „Na, Kleine, so nachdenklich heute? Fernweh?“
    Unbemerkt hatte sich ein weiterer Seemann auf dem Bootsdeck eingefunden und zu Susanne gesellt. Der Fünfzigjährige mit den grauen Schläfen und dem sorgfältig getrimmten Vollbart stützte die Ellbogen auf die Reling und schaute wie sie hinüber zu den Hafenkränen.
    „Oder ist das gar Heimweh?“
    Sie blickte lediglich kurz auf und erwiderte lächelnd: „Schwer zu sagen. Wahrscheinlich von beidem ein wenig und doch etwas ganz anderes. Wer weiß das schon? Es ist für mich alles so neu und aufregend, dass ich kaum genug Worte finde für das, was in mir vorgeht.“
    „Mmmh , das kenne ich. Man verflucht das Wasser ein ums andere Mal und kommt trotz allem nicht davon los.“
    „Nach so kurzer Zeit? Ich fahre erst seit vier Wochen“, gab sie zu bedenken. „Und den giftigen Kommentar des Alten über Möchte-Gern-Seem änner – oder schlimmer noch: Frauen an Bord! – dürften nicht einmal Sie überhört haben.“
    „Ach Mädel, nehmen Sie nicht allzu ernst, was dieser Knurrhahn von sich g ibt. Und was Ihre vier Wochen angeht, kann ich bloß sagen: Entweder man verliebt sich auf den ersten Blick oder nie. Alles andere wäre höchstens Gewohnheit und könnte niemals in Besessenheit ausarten.“
    „Sie glauben an Liebe auf den ersten Blick?“
    „Nur an die zur Seefahrt.“ Der Elektro-Ingenieur musterte sie mit seinen Offenheit ausstrahlenden Augen. „Liebeskummer also? Ich hoffe, ich habe Sie nicht gestört. Ein Schiff ist leider Gottes nicht groß genug, um mehreren Leuten gleichzeitig ein ruhiges Eckchen zu bieten, wo sie sich notfalls austoben, schreien oder heulen können. Stets taucht im falschen Moment der Falsche auf. Aus diesem Grund lassen sich Spannungen über kurz oder lang kaum vermeiden. Warten Sie’s ab“, prophezeite er angesichts ihrer skeptischen Miene. „Uns steht eine lange Reise bevor, auf der einige unerwartete Dinge passieren werden. So ist es immer schon gewesen. Warum also sollte es dieses Mal anders sein?“
    „ Ah, ein Hellseher. Aber nein, Sie stören keineswegs.“ Sie stopfte die Fäuste in die tiefen Jackentaschen. „In diesem Augenblick sind Sie genau der Richtige für mich.“
    „ Und doch hört sich das nach großem Kummer an.“
    „Nein.“ Sie hielt den Mann am Ärmel fest, als er sich höflich zurückziehen wollte. „Nein, wirklich nicht. Kein Liebeskummer und genauso wenig Heimweh oder sonstigen Ärger, über den man nicht hinwegsehen könnte. Ich hatte nicht vor zu toben und zu schreien. Und ich habe genauso wenig etwas zur Hand, das ich Ihnen an den Kopf werfen könnte. Sie wissen ja, Simone zählt das Besteck nach jeder Mahlzeit durch, seit sie ihr Talent als Messerwerfer entdeckt hat. Außerdem bin ich ein auf Harmonie bedachter Mensch. Mir ist bloß gerade bewusst geworden, dass vier Wochen in gewisser Hinsicht schon eine lange Zeit sind.“
    „Ja?“ Fragend schob sich eine der weißen Augenbrauen des Elektro-Ingenieurs in die Höhe. „Ja, das stimmt. Obwohl eine Zeitspanne natürlich immer relativ zu betrachten ist.“
    „Und Sie sind einer der wenigen Männer an Bord, die …“
    … die mich noch nicht anzumachen

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