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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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Fahrt nach Japan gehen. Japan! Das Land der aufgehenden Sonne, das Land des Lächelns. Die Vorstellung, in Yokohama möglicherweise mehrere Tage zum Löschen der Ladung zu liegen und die Hafenzeit für organisierte Ausflüge ins Landesinnere nutzen zu können, übertraf all ihre kühnen Träume. Ihr Herz schlug in freudiger Erwartung eine ganze Oktave höher. Wie schade, dass Ronny nicht dabei sein konnte! Vielleicht ließ sich ja Adrian zu einem gemeinsamen Landgang überreden?
    Nun, sie hatte genü gend Zeit, ihn notfalls breitzuschlagen.
    Wenn die „Fritz Stoltz“ das Roheisen im mehr als zwölftausend Seemeilen entfernten Yokohama losgeworden war, würden sie über Tokio wahrscheinlich sogar bis Singapur kommen. Noch war es nichts als ein Gerücht und Suse wusste inzwischen, dass keine Reederei über Wochen im Voraus die Routen für die einzelnen Schiffe festlegen konnte. Wie auch immer, Singapur oder nicht, diese Reise würde eine wirkliche Entschädigung für vier Wochen Rechtsherum-Fahren werden.
    Z unächst jedoch erwartete sie Rotterdam, seit einem Vierteljahrhundert der größte Hafen der Welt, wie sie in einem der bunten Werbeprospekte gelesen hatte. Angeblich lief alle fünfzehn Minuten ein Schiff in den Europoort ein. Es hörte sich beeindruckend an, musste sie zugeben, und so wartete sie voll Spannung, ob die Realität hielt, was die Statistiken versprachen. Im Waalhaven von Rotterdam sollten die Rohre und Coils aus dem Baltikum gelöscht und Roheisenmasseln geladen.
    A ls am frühen Abend der Massengutfrachter „Fritz Stoltz“ aus dem Mainport Europa auslief, stand Suse mit klopfendem Herzen auf dem Bootsdeck unterhalb der Brücke. Sie hatte diesen Ort zu ihrem heimlichen Lieblingsplatz auserkoren, da er weit ab von allem Trubel lag und dennoch so, dass sie einen Überblick über das gesamte Vor- und Achterschiff hatte. Hier fand sie die Ruhe zum Träumen und Nachdenken wie in eben diesem Moment, als sie nach achtern blickte.
    Die Silhouette der Großstadt an der Rotte verblasste und verschwand schließlich hinter jagenden Wellenkämmen mit Mähnen aus Gischt am Horizont. Nicht lange und sie würden die Straße von Dover und den Englischen Kanal passieren. Suse hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, in naher Zukunft herauszufinden, was ihre Kenntnisse auf dem Gebiet des Telegrafiefunks in der Praxis wert waren. Hans Nienberg würde während der kommenden Wochen nicht umhinkönnen, sie an die Taste zu lassen. Sie hatte sich doch nicht aus purer Langeweile vier lange Jahre an der Seefahrtsschule herumgetrieben – und sich eine wunderschöne Schlackertaste aus einer ausrangierten Nagelfeile gebaut – und manchmal bis zum Umfallen gebüffelt!
    Na, aber hallo! Übertreibe nicht so schamlos, empörte sich der rechthaberische, kleine Mann in ihrem Ohr. Wann soll das gewesen sein, dass du umgefallen bist vom vielen Streben? Am Schreibtisch eingeschlafen nach einer wieder mal durchzechten Nacht, trifft ’s wohl eher.
    Nur kein Neid! Schnippisch stieß sie die Luft aus. Sie würde Hans Nienberg schon umzustimmen wissen, selbst wenn sie ihm dazu das Messer auf die Brust setzen müsste! Adrian hatte ihr einen Tipp gegeben, wie sie den Funker von ihren fachlichen Fähigkeiten überzeugen könnte. Dieser alte Brummbär war doch auch bloß ein Mensch. Und Adrian ein erstaunlich guter Menschenkenner.
    Feiner Sprühnebel hing in der Luft. Fröstelnd zog Susanne die Schultern hoch und verkroch sich tiefer in der Wattejacke. Sie hatte sich dieses unförmige Ding von einem Neuaufsteiger geborgt und beglückwünschte sich einmal mehr zu dieser Idee. Sie sah darin zwar aus wie ein Kartoffelsack, die Konkurrenz um den Titel „Miss Fritz Stoltz“ würde sie indes sogar in diesem Aufzug noch lässig wegputzen können.
    Sie ließ ihre Augen über das untere Deck schweifen. Hoffentlich vermisste der Junge seine Jacke nicht gerade jetzt. Er begegnete ihr mit beinahe übertriebenem Respekt , sodass es ihr mitunter richtiggehend peinlich war. Dabei schien er sogar älter als sie zu sein. Aber offensichtlich zählte sie in seinen Augen bereits zu den Schiffsoffizieren.
    Wenn der wüsste, dass sie weniger noch als nichts an Bord zählte! Irgendwann würde sie es ihm erklären. Und vielleicht würde sie sich bis dahin endlich seinen Namen gemerkt haben, nach dem sie ihn schon zweimal gefragt. Ihre Vergesslichkeit würde sie eines Tages ins Grab bringen.
    D er kalte Herbstwind pfiff unangenehm um die Ohren und zauste Suses

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