Frau an Bord (Das Kleeblatt)
altertümliche Schreibmaschine spannte. Mit einem Stoßseufzer gen Himmel vernahm sie leises Piepsen. Die unsichtbare Brücke in die Heimat stand. Vielleicht ein bisschen mehr Lautstärke. Was sie bloß immer zu meckern hatte? Klappte doch alles bestens. War im Prinzip nichts anderes als die übliche Hörstunde an der Seefahrtsschule.
Sie atmete mehrmals tief durch, damit das Rasseln in ihrer Lunge die Sendung aus Punkten und Strichen nicht länger übertönte. Sie sollte vielleicht mit Rauchen aufhören. Oder war es die Stimmband strapazierende Mischung aus Trinken, Reden und lautem Lachen zu Zigarettenqualm jeden Abend?
Einigermaßen beruhigt registrierte sie das gemäßigte Sendetempo der Morsezeichen. Na, Mirli, ziemlich schlapp heute? Mir soll’s Recht sein, besten Dank!
Ihre Finger flogen munter über die Tastatur der Schreibmaschine. Dieses Tempo , höchstens hundertdreißig Zeichen in der Minute, war kein Problem für sie, hatte Funkbetriebaufnahme doch stets zu ihren Lieblingsfächern an der Hochschule gehört. Sie lächelte still vor sich hin. Nein, eigentlich war viel mehr der Ausbilder einer ihrer erklärten Lieblinge gewesen. Ein ausgedienter Funkoffizier, der ausgerechnet auf See angefangen hatte, Steine zu sammeln und sich mit Geologie und Mineralogie zu beschäftigen.
Suse schrie auf. Wie von Geisterhand bewegt rollte ihr Stuhl ein Stück vom Tisch weg. Was sollte dieser blöde Scherz? Erbost drehte sie sich um. Ihr Kopf flog suchend in die andere Richtung, bis sie stutzte. Da war niemand. Und sie hätte schwören können …
Dass sie manchmal Gespenster sah.
Inzwischen reichte sie lediglich mit Mühe und weit ausgestreckten Armen an die Schreibmaschine heran. Verdammt! Wie sollte sie bei dieser Schaukelei arbeiten? Vergeblich versuchte sie sich mit ihren nackten Füßen an der Auslegware festzukrallen, weil sie mit den Zehen kaum bis zum Boden reichte. Ob sie es schaffte, sich mit einer Hand an der Back festzuhalten und gleichzeitig mit der anderen zu schreiben?
Wieder rollte der Stuhl durch den Raum. Fluchend zog sie sich an d en Schreibtisch zurück und hatte währenddessen natürlich den halben Satz verpasst. Ungeachtet der Gefahr, überhaupt nichts mehr zu hören, musste sie laut lachen. Was für ein göttliches Bild sie wohl abgab? Unter solchen Umständen zu arbeiten, war zumindest eine Erfahrung, die man an Land nicht machen konnte. Das würde sie Beate auf jeden Fall erzählen.
„ Dieses alberne Huhn wird sich darüber bestimmt kringelig lachen. Und Hans muss mir verraten, wie er mit diesem Seegang fertig wird“, schimpfte sie mit finsterer Miene. „Es gibt einen Trick, irgendeinen ganz simplen, da bin ich mir sicher.“
Es ärgerte sie einmal mehr, dem Funker alle Ratschläge einzeln aus der Nase ziehen zu müssen. Sie war schließlich als Assistentin hier, um sich von dem alten Hasen ihr Rüstzeug für die Zukunft zu holen. Konnte er sich denn nicht vorstellen, dass sie eines schönen Tages alleine fahren wollte? Er dagegen vermittelte den Eindruck, als würde sie ihm schon heute seinen Stammplatz an Bord streitig machen.
Trotz aller Widrigkeiten schloss Suse zufrieden mit sich und ihrer Arbeit zwei Stunden später das Funkschapp zu. Mit ein paar – na gut, sie wollte nicht übertreiben – mit ein paar mehr als üblich handschriftlichen Verbesserungen im Text konnte sie eine ganz ordentliche Presse auf dem Sideboard in der Messe auslegen. Sie hatte stolz und mit kühnem Schwung ihren Namen unter die Zettel gesetzt und war jetzt gespannt wie eine Saite, was Adrian zu ihrem Werk sagen würde. Sie kicherte vergnügt und hüpfte beschwingt den Niedergang zur Messe hinab, wo, so hoffte sie zumindest, Adrian und Simone nach dem Reinschiffmachen noch beisammen saßen.
„Ups!“
Mit einem Ruck kam sie zum Stehen und horchte angestrengt in sich hinein. Ob das Gehopse dem Murkel schadete? Sie erinnerte sich an eine Kommilitonin, die während des zweiten Studienjahres mit Rotwein, heißen Bädern und ausdauerndem Seilspringen die keimende Frucht in ihrem Bauch loszuwerden versucht hatte.
I m Nachhinein erschien es ihr wie ein Wink des Himmels, dass just in diesem Augenblick der Zweite Nautische Offizier, Jons Linke, um die Ecke geschossen kam. Nicht allerdings in der Sekunde, als sie unsanft mit ihm auf dem Niedergang zusammenprallte und er ihr mit seinem ganzen Gewicht auf den nackten Fuß stieg.
„ Oooaaa!!! Aua! Meine Güte, Second, können Sie denn nicht aufpassen, Sie
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