Frau an Bord (Das Kleeblatt)
also heute Abend. Bleib nicht zu lange im Funkschapp. Und jetzt rein mit dir. Bei diesem Seegang hat mein kleines Mädchen nichts hier draußen zu suchen.“
Zum Teufel, Adrian Ossmann, noch nie bin ich einem Langweiler wie dir begegnet! Du und dein Pflichtbewusstsein! schimpfte Suse halbherzig mit dem Mann, den sie begehrte, der mit einem einzigen Blick ihre Nerven zum Klingen brachte und es nicht einmal bemerkte. Verdrossen stapfte sie hinter ihm her zur Kombüse, wo Adrian bereits das Schott für sie aufhielt.
Ein Naturschauspiel von wilder Großartigkeit bot sich ihren Augen. Die riesige Wolke, die am Horizont hing, hatte ihre Gestalt verändert, sich aus einem Vorhang in einen Bogen verwandelt. Unter diesem weiten und hochgewölbten Portal leuchtete der Himmel in einem gelblichen Grün. Die blassen Blitze eines Wetterleuchtens zuckten geräuschlos und in der Ferne ertönte ein dumpfes, bedrohliches Murren – das Rollen des Donners, das Prasseln des Regens und das Brüllen des Sturmes und der See, die miteinander kämpften. Schwarz und trostlos breitete sich ringsum der Ozean aus.
Und Suses Nerven begannen zu flattern.
„Kriege ich von dir wenigstens einen Kuss zum Abschied?“, murrte sie und hob sich Adrian mit gespitzten Lippen entgegen.
„ Mmmh, das wäre durchaus eine Überlegung wert.“
„ Eine Überlegung? Du … du musst dir das erst überlegen?“ Selbst in der Wiederholung ergab es nicht mehr Sinn als zuvor. „Ob du mir einen Kuss geben kannst? Du machst Witze, wie? Das ist bei dir nicht immer leicht zu erkennen, deswegen frage ich lieber nach.“
Sie wartete eine halbe Ewigkeit, trotzdem bekam sie keine Antwort.
„Also bitte! Natürlich . Denke darüber nach.“ Frustriert schlug sie die Hand durch die Luft, weil ihr mit dem Fuß aufstampfen etwas kindisch erschien. „Und nimm dir ruhig alle Zeit dieser Welt. Wir werden nämlich noch wochenlang unterwegs sein. Zeit spielt in diesem Fall überhaupt keine Rolle für mich.“
Das Lächeln war seiner Stimme anzuhören, als er erwiderte: „Ich lasse mir nie mehr Zeit, als ich brauche, Sanni. Das solltest du inzwischen wissen.“
Nun stampfte sie doch vor Empörung mit dem Fuß auf. Wortlos wollte sie sich an ihm vorbeidrängen, um in der Messe zu verschwinden und ihm nie wieder zu begegnen, aber ehe sie reagieren konnte, hatte er blitzschnell ihre Arme gepackt und sie zurückgehalten.
W enngleich sie nach dem Abendessen wegen der Schiffspresse in das Funkschapp wollte, heute musste sie mit Adrian reden. Ihr Problem war genauso sein Problem. Zumindest betraf es ihn als Urheber ein wenig. Inwieweit es ihn tatsächlich berührte, würde sie freilich erst dann sehen, wenn sie ihm von ihrer möglichen Schwangerschaft erzählte. Auf seine Reaktion war sie mehr als gespannt. Gleichwohl beruhigte sie die Tatsache, dass der stets mit kühlem Kopf und klarem Verstand handelnde Schiffskoch der Vater ihres Babys sein würde. Wenn schon schwanger, dann von Adrian. Sie vertraute ihrem Instinkt, sich auf diesen Mann in jeder Situation verlassen zu können. Mit Adrian Ossmann würde sie eine Lösung ihres Problems finden.
„Wenn du aufhörst nachzudenken, machst du deine Sache wirklich ausgesprochen gut“, murmelte sie atemlos, als Adrian schon in der Kombüse verschwunden war, und fuhr sich mit der Zunge über ihre glühenden Lippen.
In dieser unheimlich dunklen Nacht entfesselte der Wettergott urgewaltige Kräfte, gerade so als wollte er mit dieser eindrucksvollen Demonstration den Menschen deren bescheidene Grenzen aufzeigen. Wie Adrian vorhergesagt hatte, regnete es seit Stunden aus einem mächtigen Wolkenmassiv, welches bis zum Horizont reichte, während ein Tiefdruckgebiet mit dem nächsten Fangen spielte.
Da Susanne nicht alle Vorlesungen in Seewetterkunde verschlafen hatte, wusste sie, dass sich die Sturmtiefs mit Vorliebe die Biskaya als Spielplatz aussuchten. Es war so einfach gewesen, davon zu lesen und zu hören. Was sie dagegen in der Realität erwartete, sprengte ihre vagen Vorstellungen von den Herbststürmen in diesem Seegebiet. Mehr zufällig hatte sie nach dem Abendessen ein Gespräch zwischen Hans Nienberg und dem Dritten Nautischen Offizier auf der Brücke mitgehört, bei dem sich ihr der Magen mit einem doppelten Salto umgedreht hatte. Ihr war klar geworden, dass der vorgesehene Kurs der „Fritz Stoltz“ geradewegs durch das Tief führte.
Bislang hatte ihr das gleichmäßige Rollen des Schiffes nichts ausgemacht. Seitdem
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