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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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abgekühlt und es goss unablässig wie aus Kübeln, was die Sicht auf ein Minimum reduzierte.
    Schließlich entschied er: „Bevor wir Alarm schlagen und die Pferde scheu machen, sollten wir vielleicht nachsehen, was dort los ist. Am besten gehst du mal nach vorn ins Kabelgatt und kontrollierst, ob alles in Ordnung ist. Dieses Geräusch gefällt mir zwar nicht, aber vielleicht ist ja nur was umgefallen und rollt an Deck rum.“
    Mit hochrotem Gesicht riss Locke wenig später die Tür zur Brücke auf. Das Wasser troff von seinem Ölzeug und bildete eine gro ße Pfütze um seine Stiefel. Schnaufend stolperte er auf den Wachoffizier zu und wenngleich er wie eine Dampflok schnaufte, beschwerte er sich lautstark: „Das ist … unmöglich! Reiner Selbstmord! Das schafft kein Schwein alleine.“
    „Nun sag schon, wie es vorne aussieht.“
    „Glaubst du wirklich, ich bin bis dorthin gekommen?“, belferte Locke. „Das Deck ist arschglatt und der Wind haut einen regelrecht von den Socken. Was ist mit dem Alten? Hast du dem inzwischen Bescheid gegeben? Und was ist mit dem Storekeeper und dem Boatswain? Die haben mir schon einmal Feuer unterm Arsch gemacht, weil ich ohne sie im Kabelgatt war.“
    Ratlos tippte sich der Dritte an die Lippen, dann zupften seine Finger an der blassen Nasenspitze, während sich zwischen seinen Augenbrauen eine tiefe Falte eingrub. Endlich nahm er den Hörer in die Hand und wählte die Nummer der Kapitänskajüte.
    Dabei war es an Bord längst kein Geheimnis mehr, dass der Alte eine eigentümliche Schwäche für Lutz Möser hegte. Locke verzog geringschätzig den Mund, während er den wenige Jahre älteren Offizier zu den Worten des Kapitäns unaufhörlich nicken sah. Die krampfhafte Anspannung in Mösers Gesicht wich langsam großer Erleichterung. Er atmete hörbar die angehaltene Luft aus und hängte den Telefonhörer ein. Mit geschlossenen Augen wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
    „Maschine halbe Fahrt voraus. Und dann auf ein Neues. Sorry, Junge, der Alte will unbedingt wissen, was da vorne abgeht.“
    „ Fuck !“
    Der Neuaufsteiger, dessen Namen sich Suse nicht merken konnte und der als Ersatz für Ronald Skujin aufgestiegen war, zog den Hebel des Maschinentelegrafen am Navigationspult mit einem Ruck nach unten und bestätigte: „Halb voraus.“ Dann hob er den Daumen der rechten Hand in die Höhe und wünschte André mit dieser stummen Geste Glück.
    Die Antwort des Vollmatrosen war ein verächtliches Zischen. Was bildete sich dieser Stift eigentlich ein? Und wieso musste gerade er bei diesem Sauwetter raus? Er war längst bis auf die Unterwäsche durchgeweicht. Reichte es nicht, dass er sich drei Stunden lang den Arsch in der Nock abgefroren hatte? Zum Teufel, sollte der Alte doch in die Kälte, wenn er so neugierig war! Genauso gut könnten sie warten, bis die Jungs in einer Stunde zur Hundewache kamen. Schließlich wollten die auch was zu tun haben.
    Gauberts Blicke verschossen Giftpfeile in die Richtung des Wachoffiziers. W arum schickte er nicht den Frischling? Stand der etwa unter Naturschutz? Einmal mehr verfluchte er Ronald Skujin, dem er nicht bloß die Schuld an seinem Misserfolg bei der Funkerin am Bordabend gab, sondern der ihn obendrein dazu verdammt hatte, die Schnauze halten zu müssen, bis Gras über die Sache gewachsen war – also wenigstens bis zum Ende dieser Reise. Dann würde er Urlaub machen und hoffen, niemals wieder einem von der „Fritz Stoltz“ über den Weg zu laufen.
    Bis lang hatte die Funkerin dem Alten nichts von dem Zwischenfall erzählt, sodass der lediglich wusste, dass Skujin nach dem Bordabend mit lädiertem Schädel vom Koch in die Krankenstation geschleppt worden war. Noch bevor der Smutje zu irgendwelchen Erklärungen und Schuldbekenntnissen hatte ansetzen können, war der Decksi zu Bewusstsein gekommen. Das Erste, was er getan hatte, war wirres Lallen von sich zu geben und zu randalieren, bis das Krankenzimmer einem Schlachtfeld geglichen hatte. Und nach dieser bühnenreifen Darbietung hatte der Decksmann vehement jede Schuld eines anderen an seinen Verletzungen abgestritten und steif und fest behauptet, er sei besoffen den Niedergang hinabgestürzt. Und der Alte hatte ihm angesichts des Tohuwabohus in der Krankenstation (und eines voll gekotzten Eimers) jedes Wort geglaubt.
    Seine eigenen berechtigten Zweifel an der Story des Decksmannes hatte Locke wohlweislich für sich behalten. Und genauso, dass er seine blutige, dick

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