Frau an Bord (Das Kleeblatt)
voneinander trennen konnte. Sag jetzt nicht, du hättest das vergessen. Oh Mann, wir hatten schon eine Menge Spaß miteinander.“
Er lehnte die Frau an die Wand und zog die Gurte ihrer Rettungsweste fest.
„Und das soll auch weiterhin so sein“, fügte er murmelnd hinzu. „Gut, halt dich am Handlauf fest – stimmt, sieht so aus, als würde er mit einem Mal an der Decke hängen, aber du bist lang genug, um bis dorthin zu reichen. Los, Große, gib dir Mühe und mach es mir nicht unnötig schwer. Ich bin nicht mehr der Jüngste.“
Starr vor Angst und weiß wie ein Laken kauerte Susanne auf dem Boden. Ihre Hände krampften sich an der Leiter des Etagenbettes und am Kleiderschrank fest. Mit panisch geweiteten Augen schaute sie zu dem Mann auf, der in ihre Kammer gestürmt kam und sie anschrie: „Was machst du denn noch hier? Wieso bist du nicht an Deck?“
Adrian fasste sie an der Hand und wollte sie mit sich ziehen, aber Suse riss sich los und klammerte ihre Finger am Kojenrand fest. Sie schlotterte am ganzen Körper wie Espenlaub und schüttelte unaufhörlich den Kopf.
„Sanni, komm endlich! Wir müssen hier weg!“
Er zerrte den zweiten Rettungskragen aus dem Schapp zwischen den beiden Steward-Kammern. Unge stüm drückte er Suse das orangerote Schaumstoffpaket in den Schoß. „Zieh das über, mach schon!“
Nach wie vor rührte sie sich keinen Zentimeter vom Fleck. Im Gegenteil, sie tat gerade so, als ginge sie das alles nichts an. Ungeduldig packte Adrian die Funkassistentin an den Schultern und schüttelte sie kurz und heftig, aber sie rutschte schlaff durch seine Finger und sank in die Ecke zwischen Schrank und Koje. Ihr angsterfüllter Blick irrte umher, während sie ihre Arme um den Rettungskragen schlang.
„Susanni, Liebes, steh auf! Bitte , hier kannst du nicht bleiben!“
Er hörte ihr leises Schluchzen und sein Magen schnürte sich vor hilflosem Entsetzen zusammen. Wie ein kleines Kind kauerte sie vor ihm auf dem Boden, so zart und zerbrechlich, und presste die Lider aufeinander. Er spürte, dass ihre Angst mehr und mehr außer Kontrolle geriet und seine Worte sie nicht erreichten.
„Das Schiff wird sinken. Wenn du mich so liebst , wie ich dich liebe, Sanni, dann komm mit. Ohne dich kann ich nicht gehen, verstehst du?“
Er schnaubte verzweifelt, weil sie nicht reagierte. Obwohl ihm Panik die Kehle zuschnürte, redete er ohne Unterlass und mit Engelszungen auf sie ein. Bis er sich irgendwann der Sinnlosigkeit seiner bittenden Worte bewusst wurde.
Außergewöhnliche Umstände erforder ten mitunter außergewöhnliche Mittel, um ans Ziel zu gelangen. Also brüllte er wutentbrannt: „Verdammt, beweg dich endlich raus hier! Was soll dieses blödsinnige Theater? Glaubst du denn allen Ernstes, nur ein einziger von den Kerlen dort oben wartet auf dich? Sobald die Boote freikommen, sind sie weg und kein Hahn kräht mehr nach dir! Nicht einer, hörst du? Und tu nicht so, als wärst du taub. Sanni, rede mit mir! Zum Teufel, ich will nicht mit diesem verfluchten Kahn untergehen! Was bildest du dir ein, wer du bist? Soll ich dir was sagen? Du führst dich auf wie ein dummes, verzogenes Gör!“
Irgendwann wusste er nicht mehr, mit welchen Worten er Suse in dieser Nacht außerdem auf das Übelste beschimpfte. Er machte sich lustig über ihre Feigheit und verhöhnte sie. Die sinnlosesten Vorwürfe und schlimmsten Verdächtigungen warf er ihr an den Kopf, bis er nicht bloß heiser war, sondern seine Worte eine verblüffende Kettenreaktion bei Susanne auslösten.
Als würde eine Welle durch ihren Körper gehen, schüttelte sie sich mit einem Mal. Ihr Kopf schoss in die Höhe und da erkannte er eiskalte Wut, die ihr ins Gesicht geschrieben war und ihn vor der explodierenden Gewalt warnte. Urplötzlich breitete sich tödlicher Zorn in ihrem Inneren aus, bis kein Platz mehr für die Furcht blieb, die sie bis dahin gelähmt hatte. Blitzschnell sprang Suse auf die Füße, dann holte sie weit aus und schlug Adrian mit ungeahnter Kraft die flache Hand ins Gesicht, sodass sein Kopf mit einem Ruck in den Nacken flog.
Erschrocken zuckte er zusammen und taumelte zurück. Er öffnete den Mund, um noch zu einer entschuldigen den Erklärung anzusetzen. Da war Suse bereits an ihm vorbei aus der Kammer geschossen. Verblüfft griff er an seine glühende Wange und stieß pfeifend die angehaltene Luft aus. Seine Kleine verstand es wahrhaftig, einen bleibenden Eindruck bei ihm zu hinterlassen. Einigermaßen
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