Frau an Bord (Das Kleeblatt)
Koch auf und winkte, verärgert von seinem eigenen Leichtsinn, ab. „Es geht schon. Danke.“
Mit seinen nervenden Belehrungen hatte der Jüngere zweifelsohne Recht. Was wollte er bei Sturm ohne Rettungsweste auf dem Freideck? Nicht allein das Wetter, sein Verstand schien heute ebenfalls verrückt zu spielen. Mehr noch als seine eigene Kopflosigkeit brachten ihn die eindeutigen Anspielungen des Decksmannes auf seine Beziehung zu Susanne in Harnisch. Das ging diesen Grünschnabel nichts an, es sei denn …
Hatte der Neue etwa ein Auge auf Suse geworfen?
„Eine Hand für dich, bleibt nach Adam Ries lediglich eine für das Schiff. Lernt das nicht jeder künftige Fahrensmann gleich zu Beginn der ersten Lektion?“, gab Svend unbeeindruckt von Ossis giftendem Blick die auf See geltenden Verhaltensmaßregeln zum Besten. „Verteilst du immer mit beiden Händen? Was bleibt dann für dich? Du hast nicht mal einen Rettungskragen um.“
„Halt den Mund!“, schnauzte Ossi und hob drohend seine Faust. „Verschwinde!“
Svend lachte auf und duckte sich, als befürchtete er ernsthaft, der Koch könnte handgreiflich werden. Er gab sich keine Mühe, seine Belustigung zu verhehlen und beobachtete grinsend, wie sich Ossi am Handlauf der einen Wand festhielt, während er mit den Füßen auf der anderen Seite des Ganges stand.
Schon n ach wenigen Metern keuchte er vor Anstrengung. Immer wieder musste er innehalten, um sich zu orientieren. Statt die Stufen zum Zwischendeck hinabgehen zu können, musste er aufgrund der Schräglage des Schiffes jetzt die Ecke zwischen Wand und Niedergang zum Laufen, Kriechen und Vorwärtsziehen nutzen. Eine gefühlte Ewigkeit später erreichte er schweißgebadet den Assi-Gang mit den Kammern der beiden Frauen. Seinem kurzen Blick nach Backbord folgte ein erleichtertes Aufatmen. Suse war bereits aufgestanden, hatte sich eine Jacke übergezogen und starrte ihn aus ihren großen Augen erstaunt an.
Er hatte nicht gewusst, wie viele von den Tabletten des Funkoffiziers sie am Abend geschluckt hatte, und deswegen befürchtet, sie könnte die Durchsagen des Kapitäns überhört haben. Er nickte ihr mit einem flüchtigen Lächeln zu und war einen Wimpernschlag später in der Kammer der Stewardess verschwunden.
Ganz wie er vermutet hatte, lag Simone völlig reglos in ihrer Koje. Er kannte von den vergangenen gemeinsamen Reisen die todsichere Wirkung ihres Gute-Nacht-Trunkes, wie sie liebevoll die Mixtur nach einem Geheimrezept ihrer Großmutter bezeichnete.
„Sissi, wach auf!“ Unsanft rüttelte er die Stewardess am Arm. „Mach schon, du musst aufstehen.“
Sie öffnete ihre bleischweren Lider für den Bruchteil einer Sekunde und auch lediglich einen winzigen Spalt breit. Ah, Ossi nur! So schnell kam sie der Aufforderung eines Mannes nicht nach. Nicht mal ihm, dem besten von allen.
Seine Hand klatschte auf ihre Wange, einmal, zweimal, immer fester, bis Simone endlich murrte: „ Hau ab. Mir ’s … übel. Will schlafen. Allein.“
Damit waren ihr die Augen wieder zugefallen und leises Schnarchen begleitete Ossis gotteslästerlichen Fluch. Aber Simone hatte nicht mit der Hartnäckigkeit des sanftmütigen Kochs gerechnet, welche ihrer Sturheit durchaus ebenbürtig war. Er schickte ein eiliges Stoßgebet gen Himmel und wünschte, sie möge vernünftigerweise noch angekleidet sein, dann zog er mit einem heftigen Ruck die Bettdecke weg. Simone schüttelte sich vor Kälte und schlug die Augen auf.
Aufatmend packte Ossi sie an den Oberarmen und richtete sie auf. „Komm, Kleine, wir müssen auf das Bootsdeck.“
„ Lass mich … schlafen.“ Simones Kopf sackte kraftlos auf ihre üppige Brust.
Ossi, nicht wesentlich größer als die Stewardess, legte sich ihren schlaffen Arm um die Schulter und zerrte sie auf die Füße. „He, ich werde meine beste Sissi doch nicht alleine lassen“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Bleib auf den Füßen. Und halt dich aufrecht. Versuche es wenigstens. Und lass endlich die Augen auf. Du weißt gar nicht, was dir sonst alles entgeht. So etwas hast du unter Garantie noch nie erlebt.“
Mit einer Hand kramte er den Rettungskragen aus dem Spind, immer ein Auge auf Simone gerichtet, die an seiner Seite unbeeindruckt vor sich hin döste. „Nicht wieder einschlafen, Sissi, halt durch. Du musst mir helfen, wenn ich dir den Kragen anlege. Weißt du noch, das haben wir schon oft geübt. Beim ersten Mal hast du dich derart an mir festgebenselt, dass uns nur noch eine Schere
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