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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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hatte. „Ich habe dich gesucht! Und als ich dich nicht finden konnte, hatte ich gehofft, du wärst an Steuerbord. Ist alles in Ordnung bei dir?“, fügte er an und fasste nach ihren schmalen, eiskalten Fingern, um sie näher zu sich zu ziehen. „Wie ist das passiert?“ Behutsam strich er über einen blutigen Riss, der sich über ihre Stirn zog. „Geht es dir gut?“
    „Natürlich, Großer, wie immer alles bestens. Wenn wir mal von der völlig unbedeutenden Nebensächlichkeit absehen, dass wir im Begriff sind abzusaufen, würde ich sagen: Was für eine Nacht!“ Sie rollte die Augen himmelwärts und schenkte dem Matrosen einen schmachtenden Blick. Mit der freien Hand fasste sie Bothos Arm und klammerte sich an ihm fest, um nicht auf dem schrägen Deck abzurutschen. „Erklärst du mir jetzt, was hier abgeht? Wo will Simone hin?“
    „Wir versuchen schon die ganze Zeit, das Rettungsfloß freizumachen. Es ist vorhin durch die Schlagseite nach mittschiffs gerissen worden und hat sich auf dem Deck aufgeblasen. Allem Anschein nach können wir es abschreiben.“
    Botho balancierte ein Stück auf den Streben des Niedergangs entlang und fand Halt an einem Holzbalken. Damit hatte er beide Hände frei, die er sogleich schützend um Suse legte. Er musterte sie mit einem ungewohnten Ernst in die Augen.
    „Dummerweise ist beim Freimachen eine Luftzelle des Floßes beschädigt worden. Aber der Alte ist der Meinung, das würde nichts ausmachen. Sein Wort in Gottes Ohr“, murmelte Botho und sein Zorn war nicht zu überhören.
    Suses Kopf schoss herum. Verblüfft von de m deutlichen Sarkasmus in seinen Worten musterte sie ihn. „Was ist passiert? Botho, wo bleibt deine viel gerühmte Loyalität?“
    „ Guck dir das doch an! Nennt sich das etwa geordneter Rückzug? Man hat den Eindruck, er wüsste überhaupt nicht, was zu tun ist“, brauste er auf und deutete mit einer unwirschen Kopfbewegung in Richtung Rupert Frisko. „Sorry, da kann einem die Lust auf Scherze vergehen. Eigentlich solltest du schon längst im Boot sitzen. Der Alte hat angeordnet, dass zuerst die Frauen in das Floß einsteigen. Du musst nach vorne, Suse. Die beiden Stewardessen sind bereits unten. Also schaffst du das auch.“
    Der Vollmatrose mit den grünen Augen beugte sich zu ihr hinab und drückte sie fest an sich. „Ich wünsche dir viel Glück, meine Lütte. Wir sehen uns spätestens zu Hause. Versprich es mir. Bis dahin werde ich dich schrecklich vermissen. Halt die Ohren steif und mach’s gut.“
    „Aber nicht zu oft, Großer, versprochen.“
    Botho bückte sich noch ein Stück tiefer und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Dann riss er sich unsanft von Suse los, während er über die Köpfe der anderen Männer hinweg schrie: „Macht Platz, hier ist noch jemand für das Floß! Lasst die Funkerin durch!“
    Die Hände der Männer reichten die zierliche Frau weiter. Zögernd tastete sich Suse voran. Es behagte ihr ganz und gar nicht , sich von Botho trennen zu müssen. Sie hatte sich entschieden sicherer gefühlt mit dem großen, starken Matrosen an der Seite.
    Sie schaute in die Gesichter der versammelten Männer auf dem Bootsdeck. Alle Nautischen Offiziere, der Chief und der Funkoffizier hatten sich hier eingefunden und warteten mit mehreren Matrosen und Maschinisten sowie dem Storekeeper auf die nächsten Anweisungen des Alten. Sie verabschiedete sich von jedem einzelnen mit einem stummen Kopfnicken oder einem Händedruck. Nein, sie bemerkte nicht die leiseste Spur von Panik in den Gesichtern der Männer. Offenbar vertrauten sie darauf, dass das ausgesendete SOS von den anderen Schiffen in der Nähe aufgefangen wurde. Es konnte nicht lange dauern, bis die ersten Retter eintrafen. Und bis dahin müsste ihnen die Auftriebskraft der wasserdicht abgeschlossenen Aufbauten einen Rest an Sicherheit und Schwimmfähigkeit bieten.
    Noch ehe Suse dem langen Bäcker Enko Teske um den Hals fallen konnte, hörte sie den Kapitän drängeln: „Beeilen Sie sich, Frau Reichelt. Wir haben keine Zeit für sentimentale Abschiedsszenen. Geben Sie mir Ihre Hand.“ Frisko deutete auf das Wasser, dorthin, wo Simone vor wenigen Augenblicken in der Dunkelheit verschwunden war. „Da lang. Es sind schon vier Mann in dem Floß, der Dritte hat das Kommando. Alles Gute!“
    Der Alte half ihr , auf das Schanzkleid zu klettern, als Suse von aufgeregtem Geschrei zurückgehalten wurde. Unsicher blickte sie zu den Männern, die vom Bootsdeck aus mit wilden Armbewegungen immer

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