Frau an Bord (Das Kleeblatt)
im Traum! Die zwei sind drüben und unter den Fittichen des Alten bestens aufgehoben. Du bleibst hier, hast du kapiert? Und jetzt halt, verdammt und zugenäht, die Klappe!“, fuhr er Ossi an. „Merkst du nicht selber, wie dich jedes Wort sinnlos anstrengt? Du wirst noch eine Menge Energie benötigen, bis das hier überstanden ist.“
Halb schob der Decksmann Ossi vor sich her, halb zog er ihn am Ärmel seines einstmals weißen Pullovers zum Rettungsfloß. Der Koch wehrte sich nicht dagegen. Seine Kräfte waren erschöpft, sodass nichts mehr für Widerstand oder unnütze Diskussionen übrig geblieben war. Dass Berner ihm seine eigene Weste überstreifte, nahm er mehr und mehr apathisch zur Kenntnis.
„Du bist verletzt und ohne Rettungskragen verloren. Los, steig ein“, hörte er Berners Befehlston wie durch eine dicke Wand aus Watte, „und halt die Ohren steif, alte Wursthaut. Man sieht sich irgendwann, irgendwo. Vielleicht.“
Das Rettungsfloß , über dem immer wieder die vom Sturm gepeitschten Wochen zusammenschlugen, trieb aufgeblasen längsseits an der Steuerbordseite der „Fritz Stoltz“. Nicht einmal mehr die Reling war zu erkennen, so tief lag der Bulkcarrier inzwischen im Wasser. Von ihrem Platz auf dem Deck hätten die Männer geradewegs ins Wasser rutschen können.
Svend e ntdeckte den Dritten Technischen Offizier und einen der Matrosen, die beide ohne Rettungsweste auf das Bootsdeck gekommen und deswegen als Erste in das Floß geklettert waren. Auch ihnen war die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben. Unauffällig winkte Svend den Männern und deutete mit der verbundenen Hand auf den wankenden Koch an seiner Seite, während er gleichzeitig den Kopf schüttelte. Der Dritte rief dem Elektro-Ingenieur etwas zu. Svend konnte ihn nicht verstehen, allerdings drehte sich Peter Reiter daraufhin um und kam ihnen entgegen. Er nahm dem Decksmann den Verletzten ab. Die Frage nach dem Verbleib der Frauen brannte dem E-Ing auf den Lippen. Noch ehe er den Mund öffnen konnte, brachte ihn das warnende Blitzen in den Augen des Decksmannes zum Verstummen.
Einer nach dem anderen stieg in das Rettungsfloß, ein Lehrling, zwei Maschinen-Assistenten und Peter Reiter. Dass Svend mit einem wehmütigen Zug um den Mund zurückblieb, nachdem er dem Koch und den nachfolgenden Männern in das Rettungsfloß geholfen hatte, bemerkte Adrian Ossmann nicht mehr.
Selbst Rolf Graneß, der Maschinen-Assistent mit dem goldenen Ohrring, hatte es, wenngleich mit einiger Verspätung, irgendwie auf das Bootsdeck geschafft. Unterwegs hatte er zunächst seine Brille, dann den Anschluss an Svend und Ossi und letzten Endes die Orientierung verloren. Nur mit seiner fortgeschrittenen Kurzsichtigkeit konnte er später erklären, den Koch in der Dunkelheit des Rettungsfloßes zu spät erkannt zu haben. Wer wollte ihm einen Vorwurf daraus machen, dass sein getrübter Blick wohl eher von der Flasche „Surer Sluck“ herrührte, die er gegen die Seekrankheit und seine Angst geleert hatte?
Gerade in dem Moment, als die unvermindert starke Dünung das Floß ein weiteres Mal wie ein Spielzeug emporhob, zwängte sich der Assi durch den Einstieg. Das Gleichgewicht verlierend stolperte Graneß und stürzte auf Ossi.
Ohne einen Laut von sich zu geben, verlor der Schiffskoch das Bewusstsein.
1 7. Kapitel
Wie von Geisterhand bewegt, schwang die stählerne Tür auf. Suse schrie vor Schreck auf, als sich ein Schwall Wasser über sie ergoss und gleich darauf der Wind eiskalt um ihre Ohren pfiff. Luft! Die Anspannung machte abrupt einer übergroßen Erleichterung Platz. Gerettet! Oh Jesus, danke! Danke für meine Rettung! Die Beine knickten unter ihr weg, sodass sie gegen die Wand krachte. Sie lachte heiser. Noch ein Fleck mehr! Na und?
Unsicher b alancierte sie auf dem Handlauf, streckte sich den nach unten baumelnden Armen entgegen und wurde aus der Tiefe durch den Rahmen des Schotts ins Freie gezogen. Welch ein Glück, dass sie nicht das Gewicht von Barbara Bart hatte! Ein Kran wäre nötig gewesen, um sie auf das Deck zu hieven. In Tränen aufgelöst taumelte Suse ihren Rettern entgegen und schlang die Arme um den Hals des Erstbesten. Hans Nienberg schob sie hastig auf Armlänge von sich, starrte sie aus seinen großen, grauen Augen verblüfft an und wusste nicht, wie ihm geschah.
„Barmherziger , was bin ich froh, dass Sie hier sind, Herr Nienberg! Heilfroh, wirklich wahr! Ich habe das verdammte Schott einfach nicht aufbekommen. Es muss sich
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