Frau an Bord (Das Kleeblatt)
Augen.
Im nächsten Moment wurde sie unsanft an den Schultern zurückgerissen. Mit einer unkontrollierten Armbewegung schlug sie um sich und versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien. Dann gab sie auf. Tränen rannen ihr aus den geröteten Augen, sodass sie den kleinen Decksmann Svend Berner nicht gleich erkannte, der ihr schützend seinen Arm um die Schultern legte und sie dicht an sich zog.
Schluchzend wies sie in die Tiefe und stieß hervor: „Ihr müsst Si mone helfen! Bitte, ihr müsst endlich was tun!“
„Komm zurück, Suse. Wir können von hier aus nichts machen.“
„Wer … ist Simone … Was ist passiert?“
Svend schüttelte kaum merklich den Kopf und murmelte: „Die Jungs haben beim Aufrichten des Floßes die Paddel verloren und konnten deswegen Sissi nicht mehr aus dem Wasser aufnehmen.“ Beruhigend strich er Suse über das tropfnasse Haar. „Aber sie hatte einen Rettungskragen um. Sie wird zu dem Floß schwimmen. Sie schafft es, ganz sicher. Sissi verfügt über Bärenkräfte und einen eisernen Willen. Die gibt so schnell nicht auf.“
Immer wieder rutschte er nach Steuerbord weg, da er nur eine Hand frei hatte, mit der er sich an den Strecktauen festhalten konnte. Durch die inzwischen völlig verdreckten Mullbinden an seinen Händen drang Blut, die Anstrengung und die Sorge um Suse indes ließen ihn den Schmerz vergessen.
Die ahnte nichts von den wahren Gedanken des Decksmannes, sondern klammerte sich wie ein kleines Kind an seinen Arm und weinte still. Sie hatte sich nicht einmal von Simone verabschiedet! Als sie die Stewardess zuletzt gesehen hatte, war sie eng umschlungen mit Adrian den Niedergang nach oben gestolpert. Und sie hatte Simone in ihrer blinden Eifersucht sogar zum Teufel gewünscht, ausgerechnet Simone, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnte.
Diese Flüche waren nicht im Ernst gemeint! Sissi, das habe ich niemals so gemeint, das musst du mir glauben! Es tut mir so schrecklich leid.
„He, Suse, komm, guck mich an.“ Der Decksmann zwang Susanne unnachgiebig, sich von dem Anblick des wild schaukelnden Floßes wegzureißen. „Dort kommt niemand mehr von uns rein. Simone kriegt das in den Griff, du kennst sie doch. Los, da drüben hin zum Alten. Und halt dich bei mir richtig fest, damit dich der Wind nicht wieder davon weht wie ein welkes Blatt.“
Zu Tode erschrocken fuhr sie zusammen, als mit lautem Zischen dicht neben ihr eine rote Notsignalrakete in den schwarzen Nachthimmel schoss. Ihre Finger krallten sich schmerzhaft in Berners Arm. Behutsam öffnete er ihre Hand und steckte sie gemeinsam mit seiner verbundenen Rechten in die Jackentasche.
„Bleib ganz dicht bei mir , dann schaffen wir es.“
Und Suse glaubte ihm auch das.
Überzeugt davon, dass sein Schiff in der nächsten Zeit nicht sinken wür de, hielt Rupert Frisko eine flammende Rede vor den Seeleuten und betonte mit Nachdruck, dass er fest damit rechnete, dass ihnen bald schon Schlepper zu Hilfe kommen würden.
„Es ist SOS ausgestrahlt, Jungs. Vor zwei Stunden hat ein größeres Schiff unseren Kurs gekreuzt und einige andere halten sich ganz in der Nähe auf. Es kann also nicht mehr lange dauern, bis sie hier eintreffen und uns aufnehmen. Ruhe bewahren ist im Moment das Wichtigste. Und ihr macht das genau richtig so. Keine Hektik, Männer, dann kriegen wir das schon gebacken.“
Suse bemerkte die gerunzelte Stirn unter dem schwarzen Lockenhaar des Second Mate Jons Linke. Selbst in dieser stürmischen Nacht machte er einen wie aus dem Ei gepellten Eindruck. Oder wie der stolze Poseidon persönlich, der dem Meer entstiegen war, während man sie selber leicht mit einer vergammelten Seegurke verwechseln konnte.
Sie klaubte eine schmierige Haarsträhne von ihrer salzig-rauen Wange und versuchte, ihrem von Wind und Wetter entstellten Haaren eine minimale Restwürde zurückzugeben. Sie musste zum Davonlaufen aussehen! Dabei hätte es sie in keiner Weise in Erstaunen versetzt, hätte der smarte Jons Linke jetzt Spiegel und Kamm aus seiner Tasche gezogen, um sich von dem perfekten Sitz seiner Uniform zu überzeugen und sein Haar salonfähig zu frisieren. Es war einfach nicht fair!
I hr Blick fiel auf die brodelnde See und sie schämte sich für ihre Gedanken. Ringsum Tod und Verderben, vier Seeleute, die in dieser Sekunde im Wasser gegen die Naturgewalten ums nackte Leben kämpften – und sie hatte nichts Besseres zu tun, als sich wegen ihres Aussehens zu grämen!
Der Second beugte sich zu
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