Frau Bengtsson geht zum Teufel
der
Erkenntnis
gegessen hatten?
Sie selbst hatte logisch argumentiert, dass sie nicht an Adam und Eva glaubte, aber in ihren Notizen sah es anders aus. Sonst hätte sie wohl geschrieben:
Wie konnten Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen, wenn es weder sie noch den Baum gegeben hat? Gibt es irgendwelche Beweise dafür, dass diese beiden Schlawiner wirklich gelebt haben?
Die Notizen legten es bloß: seitenweise Zweifel, aber keinerlei Zweifel an der Wahrheit des Wortes. Stattdessen fragte sie sich, ob die Sachen, die in der Bibel standen, schön waren, ob sie mit ihrer Vorstellung von Gott übereinstimmten oder ob ihre eigenen Lösungen nicht besser und klüger gewesen wären.
»Ich bin ganz klar religiöser, als ich dachte«, sagte sie verwirrt und merkwürdigerweise auch ein bisschen traurig und füllte ihr Glas wieder auf.
»Was?«, rief der Teufel lauthals und schüttelte Rakels neue Locken.
»Ja, tatsächlich. Hier stehen nur Fragen, ob Gott so gehandelt hat, wie ich es von ihm erwartet hätte. Oder Bemerkungen darüber, dass sich die Menschen in der Bibel komisch verhalten. Aber ich finde keine einzige Stelle, an der ich geschrieben hätte: ›Aha! Dies und jenes ist der Beweis dafür, dass die Schrift nicht wahr ist.‹ Ich finde nur Sachen, die ich für wahr halte, die mir aber aus irgendwelchen Gründen nicht gefallen. Es ist genau, wie du gesagt hast: Gott für grausam zu halten bedeutet nicht, dass man nicht an ihn glaubt. Man kann wohl an etwas glauben, vielleicht sogar Verständnis dafür haben, aber es trotzdem schlimm finden, nehme ich an.«
Der Wanderer war beruhigt, aber gleichzeitig erschrocken. Dieses Christenbuch hatte die lächerlichen Kreaturen voll im Griff.
Zum ersten Mal fühlte er sich Frau Bengtsson richtig nahe; zwischen ihm und dem erbärmlichen Geschöpf schienen sich zarte Bande zu knüpfen. Luther hatte einmal gesagt, die Vernunft sei die Hure des Teufels. Konnte es etwa sein, dass nun endlich auch ein Menschenwurm mit ihr ins Bett gegangen war? Zum ersten Mal hörte er eines von Gottes Geschöpfen offen aussprechen, was er schon immer gedacht hatte: »Ich weiß ja, dass es Gott gibt, ich mag ihn bloß nicht.«
Bessere Voraussetzungen hätte er sich nicht wünschen können. Er würde die Abneigung der kleinen Frau so lange nähren, bis sie zu tiefem Hass aufblühte. Wenn er sie dann dazu brachte, diesen Hass auszuleben, dann wäre eine Schlacht gegen Gott gewonnen. Dass man alle Schlachten gewinnen und trotzdem den Krieg verlieren konnte, zog Satan nicht in Betracht.
Frau Bengtsson las das Beispiel mit dem Baum des Lebens laut vor, um zu erklären, was sie meinte.
»Du hast vollkommen recht. Vielleicht hast du 3 , 22 im ersten Buch Mose überlesen. Dort steht nämlich, dass der Mensch aus dem Paradies verjagt wurde, um genau diesen Trick zu verhindern.«
»Gott mag es also nicht, wenn die Menschen listig sind?«
»Überhaupt nicht. Besonders wenn sie sich damit einen Platz im Himmelreich sichern wollen und gut handeln, ohne es wirklich zu meinen.«
»Hmf. Darauf sollte er eigentlich stolz sein, wenn wir seine Ebenbilder sind«, sagte Frau Bengtsson beschwipst und hob ihr Glas.
Satan seufzte. »Ja, genau das sage ich, äh, sagt die Schlange in 3 , 5 , als sie Eva verführt, von der Frucht zu essen: ›Ihr werdet sein wie Gott.‹ Das mit dem Ebenbild stimmt nämlich nicht ganz. Gott hat ein paar Eigenschaften und Einsichten für sich behalten. Der Mensch ist keine genaue Kopie von Gott, sondern höchstens eine schlechte Karikatur. Als Christen müssen wir einsehen, dass wir nicht das Recht haben, sein Urteil durch unser eigenes zu ersetzen, denn dafür haben die Menschen nicht genug Verstand. Trotz der Banane.«
»Banane?«
»Banane, ja.«
»Warte mal. Genau so etwas habe ich neulich gedacht. Dass in der Bibel kein Wort von einem Apfel steht, sondern nur ›Frucht‹. Aber Bananen? Wie willst du das wissen?« Sie kicherte.
»Hast du dich je gefragt, warum die Banane so umstritten ist? Ist sie eine Frucht, eine Beere oder eine Nuss? Es ist fast, als wollte der Mensch die Banane aus dem Gedächtnis streichen. Er will den Sündenfall vergessen, aber das ist ihm noch nicht gelungen. Also hat er das Gerücht in die Welt gesetzt, dass die Banane keine Frucht sei. Eine geniale Idee, so kann er sie guten Gewissens essen, denn in der Bibel steht ja ›Frucht‹. Im Unterbewusstsein dagegen weiß der Mensch, was die Banane verkörpert. Er vergleicht sie mit dem männlichen
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