Frau Bengtsson geht zum Teufel
Jahr für Jahr an Silvester, so zu bleiben, wie sie war. Aber das war nicht genug. Sie konnte nicht einfach versprechen, auch weiterhin ein bisschen unchristlich zu sein, nein, sie musste gottlos werden.
Es war so, wie es die Verfasser der Bibel erklärt hatten: Alle verfehlten ihr Ziel. Es war unmöglich, ohne Sünde zu leben. Nur Jesus war es gelungen, und er würde uns retten, obwohl wir die ganze Zeit danebenschossen – sofern wir ausreichend bereuten.
Aber Frau Bengtsson war nie bis zu Jesus gekommen. Ihre Bibelkenntnis beschränkte sich noch immer auf Mose bis zur Flucht aus Ägypten, weshalb ihr Plan sehr einfach war.
Mose kletterte auf den Berg Sinai. Dort empfing er die Zehn Gebote, und Gott befahl den Menschen, sie zu befolgen. Was Frau Bengtsson bisher getan hatte, war nach Jesus’ Relativierung der Regeln in Ordnung. Solange ein gottesfürchtiger Mensch weiterhin glaubte, dass er nach den Zehn Geboten leben konnte, bestand Hoffnung. Deshalb wollte Frau Bengtsson denselben Berg besteigen – symbolisch natürlich, indem sie die Bibel las – und beim Abstieg heimlich einen Stift zücken und die Gebote auf den Kopf stellen.
Bei gewissen Teilen dieses Planes hatte sie schon jetzt moralische Bedenken, aber die eigentliche Durchführung konnte bis auf weiteres warten. Beglückt von der Tatsache, dass sie einen strukturierten Plan hatte, schrieb sie die Zehn Gebote auf ihren Notizblock, zuerst so, wie sie in der Bibel standen, und dann auf ihre eigene Weise.
1 . Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.
1.1 Andere Götter anschaffen!
2 . Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.
2.1 Gottes Namen missbrauchen!
3 . Du sollst den Feiertag heiligen.
3.1 Sonntags wie verrückt arbeiten! (Ein Sonntag?)
4 . Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
4.1 Mama und Papa ärgern! (Verleumden?)
5 . Du sollst nicht töten.
5.1 Jemanden töten! (Am liebsten etwas Kleines, falls das ausreicht. Rakel fragen!)
6 . Du sollst nicht ehebrechen.
6.1 Ehebrechen!
7 . Du sollst nicht stehlen.
7.1 Irgendwas klauen!
8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
8.1 Über die Nachbarn lästern und lügen!
9 . Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
9.1 Suhle dich in deiner Gier nach einem größeren und schöneren Haus!
10 . Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was sein ist.
10.1 Weiterhin alles wollen, was andere haben, egal wie sinnlos und teuer es ist.
Auf der nächsten Seite schrieb sie weiter, da sie nun einmal dabei war.
Unbedingt folgende Eigenschaften zulegen:
Habgier
Wollust
Völlerei
Neid
Hochmut (Ist wohl mit diesem Projekt erledigt?)
Trägheit
Zorn (klar!)
Auf ein weiteres A 4 -Blatt schrieb sie in schöner Kalligraphie nieder, was Gott über die Gebote zu sagen hatte, und fügte ihre Antwort hinzu.
»Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, die mich hassen.«
– Ätsch! Ich kann keine Kinder bekommen.
Die ersten zwei Seiten ließ sie auf dem Block, aber die letzte riss sie aus und befestigte sie mit einem Magnet, der wie ein halb aufgegessener Maiskolben aussah, an der Kühlschranktür.
»So«, sagte sie und rieb sich demonstrativ die Hände wie nach einem guten Tagwerk. Es war wieder Donnerstag, ein Tag so gut wie jeder andere, um ein neues Leben zu beginnen. »Jetzt muss ich bloß noch die Liste abarbeiten!«
Aber zuerst wollte sie eine phantastische Bolognese kochen, für sich und vor allem für Herrn Bengtsson. Die spirituelle Erweckung der letzten Tage hatte ohne Zweifel ihrer Hingabe an die Hausarbeit geschadet, und sie hatte den Verdacht, dass ihr Mann die Fertiggerichte satthatte. Sie hatte nicht nur einen Auftrag, sondern zwei, und dass der neu hinzugekommene irgendwann in der Zukunft einen Ehebruch verlangte, schloss natürlich nicht aus, dass sie weiterhin alles tun würde, um eine perfekte Hausfrau zu sein. Bis auf weiteres.
Und in genau diesem Moment, als Frau Bengtsson vergnügt in der Küche stand und Zwiebeln schälte, platzte der Engel, den Gott Nr. 1 nannte, in den Schöpfungsakt seines Herrn, um die vermeintliche Neuigkeit vom höchst gotteslästerlichen Plan der Hausfrau zu übermitteln. Wie wir gesehen haben, nahm es der Herr gelassen auf. Für ihn war es keine Neuigkeit. Er legte letzte Hand an das neue Fossil, ging hinaus und setzte
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