Frau Bengtsson geht zum Teufel
irgendwo anders auf meiner Suche. Aber er hat mich hintergangen, also kann ich verdammt noch mal dasselbe tun. Gott ist sich sicher, dass ich ihn treffen und mich am Ende seiner Schar anschließen werde, aber ich kann ihn darum betrügen. Alles, was ich tun muss, ist, mich so zu benehmen, dass er mir nach meinem Tod unmöglich Zutritt ins Paradies gewähren kann.«
»Und wenn du dich irrst?«
»Na und? Wenn ich mit meinem Glauben total falschliege, dann passiert doch sowieso nichts nach meinem Tod. Aber wenn ich recht habe, werde ich jedenfalls nicht bei ihm landen. Die Hölle muss ja besser sein! Dort sitzt keiner auf hohem Ross und geht einfach davon aus, dass mein Platz bei ihm sicher ist. Die Hölle – oder Satan, wenn du willst – lässt mich wenigstens in Ruhe und lässt mir meine eigene Meinung. Der Teufel mischt sich nicht einfach ein und manipuliert meine Gedanken, mein Leben und sogar meinen Tod. Und wenn Gott nicht weiß, ob ich in den Himmel komme, oder sogar sicher ist, dass ich in der Hölle lande, dann ändert sich damit auch nichts, oder?«
Satan lachte beruhigt. »Gewiss.«
»Sachen tun, die man bereuen sollte, und es hinterher an Reue fehlen lassen. So hast du das ausgedrückt, oder?«
Tief in Rakels Körper kratzte die Theologiestudentin voller Verzweiflung, um ein einziges ›Tu das nicht!‹ herauszubekommen, aber vergeblich. Dann versuchte sie, mit ihrem Körper Widerstand zu leisten, damit er wenigstens nicht den Mund öffnen konnte. Rakel hatte begriffen, worauf die Sache hinauslief, und wollte auf keinen Fall Teil dieses Planes sein. Aber der Teufel öffnete mühelos ihre Lippen, und weit entfernt hörte sie ihre Stimme sagen: »Acedia.«
»Wie bitte?«
»Acedia nannte man das im Mittelalter. Das Gegenteil der Suche nach Gott. Es traf ziemlich viele Mönche, die plötzlich in tiefe Verzweiflung stürzten, ungefähr wie du, weil sie dachten, der Herr würde sie nicht beachten. Oder einfach nur, weil sie erkannten, wie viel sie durch die Entsagung weltlicher Freuden und Genüsse verpassten. Da schwangen sie ins andere Extrem um und nahmen Abstand von Gott und seiner Schöpfung – aktiv und hingebungsvoll, wie du sagst –, indem sie allerlei Sünden frönten. Das nannte man Acedia: die bewusste Ablehnung von Gott und allem, was christlich ist. Man könnte das wohl die ultimative Sünde nennen, weil sie so unerhört bewusst begangen wird. Acedia bedeutet nicht, aus mangelndem Wissen oder unter dem Mantel der guten Absicht zu sündigen, sondern um der Sünde willen. Sünde, um von Gott loszukommen und ihn zu verhöhnen. Acedia ist der lateinische Name für eine der Todsünden. Faulheit. Gleichgültigkeit.«
»Was geschah mit den Mönchen?«
»Tja. Dante zufolge gibt es in der Hölle einen eigenen Ort für alle, die der Acedia verfallen sind. In der
Göttlichen Komödie
schreibt er, dass sie auf ewig in einer Art Kleister schwimmen, einem Morast, der sogar ihre Hälse füllt. Und so singen sie ein halb ersticktes Klagelied. Ein Lied von Reue und Wahnsinn.«
»Sie sind also in der Hölle gelandet.«
»Jepp.«
»Nicht im Himmel?«
»Ne.«
»Dann könnte mein Plan funktionieren. Vorausgesetzt, Dante hatte recht.«
Dass Dante im siebten Gesang seiner
Göttlichen Komödie
total danebenlag, dachte Satan, musste Frau Bengtsson ja nicht wissen. Er antwortete: »Nun, wenn es zu deinem Plan gehört, dass du in die Hölle kommst, dann funktioniert er. Dann musst du nur noch gut überlegen, was du tun musst.« Rakel fiel in ihrem Inneren in Ohnmacht, als sie hörte, was ihr Mund äußerte.
»Dann werde ich es wie die Mönche machen. Ein erfolgreiches Konzept sollte man nicht verändern, oder?«
Der Teufel brach in Freudengelächter aus und fühlte zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit große Sympathie für die Hausfrau. Empfand Wärme, Freude und Verbundenheit.
»Du willst also anfangen zu sündigen?«
»Ja, aus schierer Teufelei.«
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Teil drei
Acedia
18
W ie geht man vor, wenn man Gott den Daumen aufs Auge setzen und aktiv sündigen will? Ein waghalsiges Vorhaben, sollte man meinen, aber Frau Bengtsson musste nicht lange nachdenken, um einen Plan zu schmieden.
Es würde nicht ausreichen, einfach nur das Ziel zu verfehlen, nach Gottes Wort zu leben, wie Rakel den Ursprung des Wortes »Sünde« etwas diffus erklärt hatte. Dazu hätte sie im Grunde nur ihr altes Leben fortsetzen müssen. Wer verliert nicht täglich irgendein Ziel aus den Augen? Freilich gelobte Frau Bengtsson
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