Frau Bengtsson geht zum Teufel
zu leben.«
Yersinia strich um Frau Bengtssons schlanke Beine und schnurrte samtweich. Sie war ein geselliges Kätzchen.
»Es ist also nicht so, dass ich ein bisschen leiden muss, bevor ich ein Zeichen bekomme, sondern dass ich auf die Antwort warten muss, bis ich sterbe? Und dass genau darin der Sinn liegt?«
»Ja. Wenn Gott weiß, dass du insgesamt ein christliches Leben führst. Das Leiden ist ja durchaus nicht unvereinbar mit einem Leben im Glauben.«
»Aber es sollte unvereinbar mit einem Leben in religiöser Vertröstung sein.«
Rakel lachte. »Du redest schon wieder über das Wissen. Aber das hat nur Gott. Am Ende ist es womöglich so, wie du zuerst vermutet hast – dass du ein hoffnungsloser Fall bist und er das weiß und sich deshalb nicht um dich kümmert … Aber ich muss sagen, dass ich das für weniger wahrscheinlich halte.«
»Du hast wohl recht«, sagte Frau Bengtsson. »Ich kann mir keinen triftigeren Grund denken, warum er mich jetzt so eiskalt abblitzen lässt. Er weiß, dass er am Ende seinen Willen kriegt und ich zu ihm kommen werde.«
»Ja«, antwortete Satan. »Sogar Gott ist manchmal gestresst, und dann versucht er eher, die hoffnungslosen Fälle zu retten.«
»Wie im echten Leben also. Problemkinder bekommen mehr Aufmerksamkeit. Die Gesellschaft versucht unermüdlich, sie zu retten. Die Begabten – solche wie du, Rakel – brauchen sich keine Sorgen zu machen. Aber die Mittelmäßigen, Unauffälligen, die trifft es. Sie werden übersehen und müssen sich allein durchschlagen, weil es heißt, dass sie es schon irgendwie schaffen.« Frau Bengtsson schnaubte zornig.
Satan fragte sie aufrichtig: »Kannst du denn gar keinen Trost darin finden, wenn es so wäre? Wenn Gott nun weiß, dass du es schaffst, dann kannst du dich vielleicht auch darauf verlassen. Du bekommst zwar keine Aufmerksamkeit von ihm, weder positive noch negative, aber immerhin gehörst du zu den Auserwählten.«
»Nein, das ist kein Trost.« Sie nahm Yersinia in die Arme und begrub die Nase im schwarzen Pelz des Kätzchens.
»Trotzdem. Sieht aus, als müsstest du dich mit dem Gedanken abfinden«, sagte der Teufel.
Frau Bengtsson schwieg lange, und auch Satan saß still neben ihr und wartete darauf, dass der Groschen fallen würde. Verdammt langsam konnten diese Menschen sein. Aber sie sollte selbst darauf kommen. Wenn er es vorschlagen würde, wäre es Verführung, aber der entscheidende Punkt war ja, dass eines von Gottes Geschöpfen diese Wahl ohne eine zischende Schlangenzunge im Ohr treffen sollte. Diesmal sollten sie es nicht auf den Teufel schieben. Diesmal sollte ein Mensch aus freien Stücken Gott trotzen.
Wenn sie nur ein bisschen Dampf machen könnte!
Sieht aus, als müsstest du dich mit dem Gedanken abfinden, hatte Rakelmirakel gesagt.
»Nein, das muss ich nicht«, sagte sie schließlich.
Rakel sah erstaunt aus, und in ihrem Innern jubelte der Wanderer. Yersinia sprang auf den Tisch, um besser hören zu können.
»Wie meinst du das?«, fragten alle Anwesenden Frau Bengtsson.
»Ich habe immer noch meinen freien Willen, oder?«
»Davon gehen wir aus, ja«, antwortete Satan. »Aber was wir gerade sagten, ist eigentlich ein Widerspruch dazu. Wenn Gott den Schluss deiner Geschichte kennt, muss dein freier Wille als höchst symbolisch gelten.«
»Ja, aber …« Sie verstummte, und der Teufel zitterte, dass man es fast sah. Jetzt kommt es, dachte er. Er ließ schnaubend etwas Dampf ab, so dass es sich wie Yersinias Schnurren anhörte. Das Kätzchen war sichtlich imponiert, dass es so viel Lärm machen konnte, und streckte sich keck.
»Aber?« Er beugte sich voller Erwartung über den Tisch und rieb sich die Hände.
»Aber es könnte auch so sein, wie wir neulich vermutet haben. Dass Gott nur viel klüger ist als alle anderen in der Welt. Dass er sozusagen einen statistischen Voranschlag macht und nur zu wissen glaubt, wie meine Geschichte enden wird.«
»Und?« Satan provozierte.
»Und? … Ja, und was? … Dann hätte ich noch die Freiheit, aus alldem auszusteigen. Aktiv und hingebungsvoll! Das ultimativ unchristliche Benehmen, Rakel, erinnerst du dich? Irgendwo muss Gottes Wahrscheinlichkeitsberechnung eine Grenze haben. Und wer sagt denn, dass ich die nicht überschreiten kann?«
Der Böse hörte gespannt zu. »Du meinst …?«
»Ich meine, dass ich den angeblich Allwissenden reinlegen kann. Genau, wie er mich reingelegt hat. Ich war mir so sicher, dass er mich auf halbem Weg treffen wollte oder
Weitere Kostenlose Bücher