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Frau Bengtsson geht zum Teufel

Frau Bengtsson geht zum Teufel

Titel: Frau Bengtsson geht zum Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline L. Jensen
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Wahrscheinlich waren alle Kinder aufgepoppt. Oder sie vertrugen kein Wasser.
    Beggo hatte genügend Vorsprung, er war schon außer Sicht, als sie den Briefkasten erreichte. Stromrechnung. Ein handgeschriebener Umschlag an die Eheleute Bengtsson, bestimmt eine Einladung zu irgendeinem sozialen Event.
    Einladungen und Karten – das Einzige, was die Menschen noch mit der Hand schreiben, dachte sie.
    Ein vierseitiger Katalog eines Elektroladens. Auf der anderen Straßenseite ging Rakel gerade die Post holen und winkte unter ihrem Regenschirm hervor.
    »Hej!«, rief sie. »Wie siehst du denn aus?«
    »Ich wollte in die Kirche gehen«, antwortete Frau Bengtsson. »Wer ist das denn?« Sie zeigte auf das schwarze Katzenjunge auf Rakels rechter Schulter.
    »Ich habe heute Morgen eine Annonce gelesen und gleich zugegriffen. Das ist Yersinia.«
    »Wie das Pestbakterium?«
    »Ja, genau. Komm nachher rüber, dann könnt ihr euch kennenlernen« antwortete Rakel und ging ins Haus, ohne nach der Post zu sehen.
    »Yersinia«, wiederholte Frau Bengtsson. »Na ja, warum nicht?«
    Der handgeschriebene Umschlag enthielt tatsächlich eine Einladung. Ein Ove aus Herrn Bengtssons Firma wurde vierzig und wollte natürlich, dass sein Chef und dessen bezaubernde Gattin ihm die Aufwartung machten. Frau Bengtsson beschloss, dass ein Fest genau das war, was sie brauchte.
    Immerhin war heute der Tag ihrer Befreiung. Der Tag, an dem sie Gott gesagt hatte, dass sie ihn hasste.
    Nur eines ärgerte sie. Gott hatte in keiner Weise reagiert, und sie fürchtete, dass er dafür einen Grund hatte. Vielleicht wusste er etwas, was sie (noch) nicht wusste? War er deshalb so selbstgefällig, sie komplett zu ignorieren?

    Frau Bengtsson staubsaugte und grübelte. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie nicht bemerkte, wie sie das Sideboard von der Wand wegrückte, den Staubsauger umsteckte und gründlich den Staub vieler Monate beseitigte.
    Staubsaugen war meditativ.
    Was mochte er wissen?
    Wahrscheinlich, schlussfolgerte sie, pfiff Gott auf ihr Geläster, weil er wusste, dass sie sowieso in die Hölle kommen würde. Sie hatte in ihren achtunddreißig Jahren nicht gerade sündenfrei gelebt. Es brachte also nichts, sich um ihr pathetisches Geschrei auf einem schlammigen Acker zu kümmern.
    Aber war sie wirklich so gemein gewesen? Sie verletzte nie bewusst ihre Mitmenschen, war immer hilfsbereit, und die Leute beschrieben sie stets als fürsorglich. Freilich fluchte sie etwas zu viel. Und trank. Aber ihre Suche – die ehrlich, neugierig und offen begonnen hatte – wäre eine ideale Gelegenheit für den Herrn gewesen, sie zu bekehren und ihr Leben zum Besseren zu wenden. Sie wäre offen dafür gewesen. Vor nur wenigen Tagen. Eine leichte Beute für den Allmächtigen, wenn er ihr nur ein Zeichen gegeben hätte. Er hätte ihren Jasminbusch in Brand setzen können oder so.
    Steckerwechsel.
    Erst als der Staubsauger wieder verstaut war und sie einen Mop in der Hand hielt, fiel ihr auf, dass es noch eine mögliche Erklärung dafür gab, warum Gott ihren Kampf ignorierte.
    Was, wenn er schon ganz sicher wusste, dass sie im Himmel landen würde? Wenn er allwissend und allmächtig voraussehen konnte, dass sie unter dem Strich trotz allem einen Platz bei ihm verdiente. Im Paradies.
    Frau Bengtsson hielt inne.
    »Das ist ja noch schlimmer!«, konstatierte sie und drückte den Mop aus. So eine Selbstgefälligkeit! Gott glaubte also, im Voraus zu wissen, dass Frau Bengtsson, sein Geschöpf, am Ende den »rechten« Weg finden und sich seiner glücklichen Schar anschließen würde. Vielleicht ging er einfach davon aus, dass sie keine Wahl hatte. Vielleicht hatte er sie so geschaffen, dass die Religion ihr Los war, wie sehr sie auch versuchte, sich zu befreien? Ja, in diesem Fall hätte es für ihn wenig Sinn, sich einzumischen. Sie würde alle Qualen und die ganze Grübelei allein durchstehen müssen, weil er sicher war, dass ihr gesamtes Lebenswerk letzten Endes christlich war.
    »Verdammter alter Knacker«, bemerkte sie, stellte den Mop ab und sprang, um den frisch geputzten Boden zu schonen, von Teppich zu Teppich zur Haustür.

17
    J a, das ist denkbar«, stimmte Rakelsatan zu. »Klar. Wenn er schon sicher ist, dass du am richtigen Ort landest, dann lässt er dich in Ruhe. Vielleicht findet er auch, dass deine derzeitige Suche dazugehört. Für dich mag das verwirrend sein, aber möglicherweise sieht Gottes Plan genau so aus. Jeder von uns hat eine andere Geschichte

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