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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Menschen dagegen sind egoistisch und wild.«
    »Moment mal, das einzige Pferd, das Gulliver freundlich empfangen hat, war das Herr-Pferd, die anderen haben einen Menschen in ihm gesehen. Und du bist auch ein Mensch.«
    »Äußerlich schon, aber im Innern bin ich eine Stute.«
    »Weißt du, dass Leonor Fini das Wort ›Stute‹ beleidigend fand? In Argentinien ist es ein Schimpfwort.«
    »Für mich ist es ein Lob.«
    Anders als Max ist Renato nicht im Geringsten darauf aus, sie zu beeindrucken oder zu belehren. Er bringt sie nur zum Lachen und rät ihr, die düsteren, verregneten Städte zu vergessen. Selbst die kalte, zaghafte Sonne von Paris, London oder Rom lohne sich nicht, denn jetzt werde sie eine richtige Sonne kennenlernen und Häuser aus rötlichem Vulkangestein und hundertjährige Bäume und zwei große schlafende Vulkane.
    Im Bahnhof von Houston hält der Zug für ein paar Stunden, und Renato beschließt, ein schönes, kaltes Bier zu trinken. »Ich bin ein Café- und Kneipenmensch.« Kaum haben sie das Lokal betreten, kommt der Kellner auf sie zu und erklärt ihnen, Frauen sei der Zutritt verboten und ihn könne man nicht bedienen, weil er Mexikaner sei. ›No dogs and Mexicans allowed‹ steht an der Tür eines anderen Gasthauses.
    Leonora versteht das alles nicht.
    Als sie den Bahnhof Buenavista verlassen und den Paseo de la Reforma einschlagen, sieht Leonora Reiter mit Hut. ›Das ist mein Land‹, denkt sie, ›ich gehöre zu den Pferden.‹
    Die Hauptstadt ist einem Hirngespinst entsprungen, auf Wasser gebaut. Die Mexikaner leben auf unsicherem Grund, auf Falle, Sumpf und Moor in einem. Hier verschwimmen Wirklichkeit und Unwirklichkeit.
    »Diese Häuser und Straßen wurden ›aus Gründen der Sparsamkeit / aus hydraulischem Material erbaut, auf einem See, / der Aquädukt war, Drainage und Hellespont‹«, rezitiert Renato sich selbst.
    Die Stadt wirkt wie eine Insel, die eines Tages im Schlamm versinken wird.
    Sie ziehen in ein leeres Haus in Mixcoac und schlafen auf einer Matratze, die der Dichter im erstbesten Laden gekauft hat.
    Renatos Haut ist stark und glatt und strotzt vor Energie, ist nicht runzelig an den Ellbogen, sondern straff und dunkel neben ihrer weißen, spröden. Frühmorgens springt er von der Matratze auf, läuft barfuß durchs Zimmer, während sie ihre Pantoffeln sucht. In seinem weißen Hemd sieht er noch dunkler aus, und Leonora erinnert sich an Peggys Schwärmerei: ›Dein Mexikaner ist wundervoll.‹
    Leonora bekommt von Renato zehn Pesos. In der Bäckerei zeigt sie auf das Brot und zwischen den Lebensmitteln auf die Linsen und die Flasche Öl. Am besten gefällt ihr, dass das Rattengift übersetzt ›Das Letzte Abendmahl‹ heißt. Sie läuft durch glasklare Luft, unter einem Himmel, der blauer ist als der in Saint-Martin d’Ardèche. Ihr Herz schlägt schneller wegen der Höhe und ist auf alles gefasst, ihre Augen weniger, vom Sonnenlicht geblendet, stolpert sie auf dem Bürgersteig über eine Delle und fällt hin.
    »Was ist passiert, Liebes?«
    Eine Frau mit Schürze hilft ihr auf die Beine, und Leonora findet die Mexikaner herzlich. Die Frau begleitet sie nach Hause und sagt beim Abschied, falls irgendetwas sei, stehe sie ihr zu Diensten.
    In Xochimilco bahnen sich die knallbunten und reich verzierten Trajineras ihren Weg, beladen mit Musikern, Pulquekrügen und Bier. In einigen mit Wasserlilien zugewachsenen Kanälen bleiben sie stecken.
    Die Spazierfahrt langweilt Leonora.
    »Ein paar Bierchen hättest du trinken sollen«, sagt Renato später. »Oder singen, London Bridge zum Beispiel. Du musst schon selbst was tun, sonst bleibst du auf der Strecke.«
    Leonora spricht kein Spanisch und ist auf Renato angewiesen. Auf der Straße weichen ihr die Passanten aus und starren auf ihre Füße. Nach den Spaniern, die sich immer schreiend unterhalten, und den Nordamerikanern, die eilig durch die Gegend rennen, fragt sie sich, warum gerade die Mexikaner so scheu sind. Möglichst wenig Platz einnehmen lautet wohl ihr Lebensmotto.
    ›Irgendwie‹, denkt sie, ›werde ich auf dem Markt, über die Berge von Rettichen und Tomaten hinweg, schon mit den Verkäufern klarkommen‹, aber sie kann sich mit niemandem verständigen außer mit Renato. In New York war sie ihr eigener Herr, hier steht sie abseits.
    »Ich werde nicht schlau aus den Leuten, Renato, ich weiß nicht, wovor sie weglaufen, ich weiß nicht, warum sie ihre Gesichter in den Schultertüchern verbergen. Ich ertrage sie

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