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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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nur auf den Feldern seiner Farbe bewegt, dass die Königin macht, was sie will, wie alle Frauen, und der König ein Windhund ist, »wie ich es immer sein wollte, bis Lydie die Partie gewonnen hat.«
    Nachdem er ihr zweimal alles demonstriert hat, schlägt Leonora seine Königin und setzt mit ihrem Turm zum Schach an. Duchamp, der schon gegen die besten Schachspieler der Welt angetreten ist, schmeißt seinen König um und steht wütend auf.
    »Das war Anfängerglück.«
    »Wie beim Poker?«
    Im April erscheint in einer Ausgabe von View neben dreißig Gemälden von Max Ernst auch eine Reproduktion von Loplop, der Vogelobere .
    »Das ist der Abschied, das Ende von Vogel und Stute«, stellt Leonora fest.
    »Max und der Surrealismus haben dein Leben definitiv verändert«, erwidert Breton. »Nach Mexiko zu gehen ist ein Irrtum. Wir werden dir zu sehr fehlen.«
    Der Konflikt mit Peggy reibt sie auf. Immer wieder hört sie die Freunde sagen, Max sei besessen von ihr, aber der Surrealismus kreise nun mal in einem Dollarkarussell um die Guggenheim.
    »Du bist so verrückt nach Leonora, dass du es nicht verbergen kannst.«
    »Nein, Peggy, meine Frau bist du, Leonora war meine Schülerin. Was mich an ihr interessiert, ist ihr Talent.«
    Hartnäckig wiederholt Max, Peggy sei die Frau, mit der er lebe und ins Bett gehe.
    Die Zeitschrift VVV veröffentlicht den Text Warten und in View erscheint Weiße Kaninchen . New York liegt Leonora zu Füßen. Renato aber zieht es zurück nach Mexiko, und Max wird immer unruhiger.
    »Ich hoffe, dir ist klar, dass dein Platz hier ist. Ich kann dir weitere Publikationsmöglichkeiten verschaffen, kann eine Ausstellung für dich organisieren.«
    »Ich gehe mit Leduc.«
    »Tu das nicht!«, bittet Max sie verzweifelt. »Du wirst alles verlieren, es wäre das Ende deiner Karriere. Mexiko spielt auf dem Kunstmarkt keine Rolle, dort gibt es keine Galerien, in diesem Land der Menschenopfer wirst du dich selbst bei lebendigem Leibe begraben. Die Muralisten sind hetzerische Propagandisten, dich dagegen, eine Anarchistin, wird keiner verstehen. Wie kannst du nur gehen, jetzt, wo du anfängst, bekannt zu werden?«
    »Dieses Gespräch schmeckt mir nicht, ich weigere mich, meine Energie daran zu verschwenden.«
    Max ist ihr Lehrer, aber etwas in ihr lässt nicht locker: ›Wenn du hier bleibst, begehst du einen Akt der Feigheit, dann erstarrst du in Max’ und Peggys Schatten, bis schließlich eine von euch beiden zugrunde geht.‹
    »Du bist kalt wie Stein, Leonora.«
    »Ja, Leiden versteinert.«
    »Du denkst nur an dich.«
    »Und du, Max, an wen denkst du?«
    Was wäre, wenn auch sie entdecken würde, dass sie aus Stein ist?
    Falls sie nicht flieht, holen die Regeln sie wieder ein, diesmal jene der Surrealisten. Mexiko ist ihre Fluchttür, ihre Feuerleiter.
    »Ich weiß immer noch nicht, was für einen Sinn mein Leben hat, Max, aber ich weiß, dass ich malen will und es nur tun kann, wenn ich ein Leben im Einklang mit mir selbst führe. In der Irrenanstalt habe ich eine Ahnung bekommen von etwas, was ich erforschen will, von etwas Weiterreichendem, etwas, was ich dir nicht erklären kann.«
    »Dass du gehst, ist absurd.«
    »Über das Absurde will ich ja gerade hinausgelangen, jenseits der Logik ankommen, herausfinden, was das Absurde mir gibt, falls es mir irgendetwas geben kann.«
    Einige Surrealisten kehren nach Frankreich zurück. Breton macht nicht einmal den Versuch, Englisch zu lernen, seine Frau Jacqueline Lamba verlässt ihn für David Hare, Max Ernst bleibt bei Peggy, und sie, Leonora, muss einen höheren Einsatz wagen, das hat Santander sie gelehrt. Die Dämonen ihrer Vergangenheit werden ihr nicht bis nach Mexiko folgen können. Fern ihres Vaters und fern von Max wird sie ihr Leben selbst bestimmen, ihrer Berufung treu bleiben, treu auch dem Leiden, von dem niemand die leiseste Ahnung hat.
    »Ich will, dass meine Seele lebendig bleibt; wenn ich das nicht versuche, bin ich verloren. Ich trage etwas Besonderes in mir, mag sein, dass mein Körper zerfällt, dass ich verbrenne und mich in Rauch auflöse oder gefriere wie brennendes Eis – denn die Extreme berühren sich, Eis brennt genauso wie Feuer –, wenn ich aber hier in New York bleibe, Max, dann werde ich stets nur eine Projektion von dir sein.«
    Immer wieder erzählt Renato ihr von der Schönheit Mexikos.
    »Mexiko ist ein jungfräuliches Land, Leonora, ein Land, in dem es noch viel zu entdecken gibt. Europa ist ein Eintopf, ein

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