Frau des Windes - Roman
malen, aber was mache ich mit Chiki?‹
Edward antwortet, er werde zur gleichen Zeit wie sie in Mexiko ankommen und ihre Frage dort beantworten.
Kaum hat der Mäzen das Haus von Nancy Oaks und Patrick Tritton in der Calle Marsellas betreten, beherrscht er das Fest, die Gäste umschwirren seine hohe Gestalt, hängen an seinen Adleraugen, die rastlos nach Beute Ausschau halten. James wandert auf und ab und bewegt sich dabei mit so natürlicher Eleganz, dass die Leute flüstern: »Der Mann ist Multimillionär«, »ein Exzentriker«, »Wenn er dich mag, schenkt er dir, was du willst«, »Sein Haus in West Dean in Sussex hat dreihundert Zimmer«, »Die Scheidung von Tillie Losh hat ihn ein Vermögen gekostet«, »Sein ganzes Geld stammt von Marshall Fields«. Das vom Vater geerbte Holzimperium hat ihn zu einem Goldenen Kalb gemacht, überdies wird gemunkelt, er sei der uneheliche Sohn von König Edward VII ., eine Behauptung, der er nie widerspricht.
Könnte er die Gespräche ringsum verfolgen, würden sie ihm nicht einmal skurril erscheinen, so wenig wie ein mit grünen Haaren geborenes Kind.
»Ich komme gerade aus Ravello, wo ich mir für den Sommer eine Villa gemietet hatte.«
»Wie jedes Jahr war ich in Bayreuth bei den Wagner-Festspielen, von denen die Symbolisten so stark beeinflusst wurden.«
»Kürzlich habe ich mir am East River eine Wohnung mit Blick über den Hudson gekauft.«
»Meine Pferde hätte ich auch gern mit nach Mexiko gebracht, aber hier fürchte ich, die Stallburschen könnten sie vor lauter Hunger verspeisen. Die sind ja heute noch schlechter dran als vor der Revolution.«
»Weißt du, wie das Telefon mit dem Hummer-Hörer entstanden ist, das bei Edward James im Haus steht? Bei einem Abendessen haben er und seine Freunde Hummerschalen an die Decke geworfen, und eine davon ist auf seinem Telefon gelandet. Daraufhin hat James Dalí gebeten, ihm einen Telefonhörer in Hummerform zu modellieren.«
»Etwas Surrealistischeres als James’ Haus in Monkton habe ich noch nie gesehen. Es ist wirklich das bemerkenswerteste Beispiel für den dreidimensionalen Surrealismus.«
»Seine elf Gedichtbände hat James auf eigene Kosten veröffentlichen lassen, aber im Gedächtnis der Leute sind nur die Typografie und die luxuriöse Ausstattung hängengeblieben.«
»Ich habe gehört, The Bones of my Hand sei 1938 bei Oxford University Press erschienen.«
»Ja, aber wusstest du auch, dass Stephen Spender es in seiner Kritik als eine Millionärslaune bezeichnet hat? Seitdem hat James nichts mehr veröffentlicht, nur ein paar Artikel für den London Evening Standard .«
James wagt mehr als andere Multimillionäre, die ihren Mangel an Kreativität durch Kaufen ausgleichen. Er hat Talent. Er beauftragt Architekten und Dekorateure mit der Neugestaltung seiner Häuser in England und nutzt sein sagenhaftes Vermögen dazu, Künstler wie Strawinsky, Christopher Isherwood, Aldous Huxley und George Balanchine zu fördern, wenngleich die ihn, nachdem sie ihn benutzt haben, wie eine alte Socke wegwerfen.
Mit einundzwanzig hat der junge Erbe sein Oxford-Studium an den Nagel gehängt, um sich in ein endloses Fest zu stürzen. New York, London, Paris, Rom und Berlin sind seine Koordinaten. Jetzt ist er in Mexiko, und die Erste, die er mitten in der Gästeschar wahrnimmt, die Erste, auf die er zugeht, ist Leonora.
»Wegen dir bin ich hier.«
Edward James
Als Edward James in Leonoras dunkler Wohnung ankommt, entdeckt er auf der Staffelei Baby Giant und weiß sofort, dass er vor einem Meisterwerk steht. Leonora erklärt ihm, ihre Lektüre von Jonathan Swift habe sie zu dem Bild inspiriert.
»Das ist eine Bewohnerin der Insel Brobdingnag.«
»Sie sieht aus wie dem Beginn der Schöpfung, dem Chaos entstiegen«, stellt James fest. »Und wie verzweifelt diese Männer wirken, die sich in Sicherheit zu bringen versuchen.«
»Die rudernden Männer?«
»Deine Riesin hält schützend ein kleines Ei in den Händen«, fährt James gedankenversunken fort. »Im Vergleich zu ihrem Körper sind ihre Hände winzig. Und unter ihren Füßen fliehen Pferde und Menschen mit Pfeil und Bogen und Lanzen, weil sie etwas Derartiges noch nie gesehen haben. Du selbst bist die Gigantin deines Bildes, Leonora«, verkündet er. »Ich kaufe es dir ab!«
Als Gaby und Pablo von der Schule nach Hause kommen und Baby Giant auf der Staffelei entdecken, fragen sie ihre Mutter, ob sie sich auf dem Bild selbst als Kind dargestellt habe, mit einem von
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