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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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eine derart ungestüme Liebe; diesen Yaqui, der ihn mit Rehaugen anschaut, vergöttert er. Was sind schon Entfernungen, jetzt, da er endlich den Sinn seines Lebens gefunden hat! Plutarco vereint alles in sich, was er je erblickt und geliebt hat. Die Paarung der Monarchfalter dauert eine Stunde oder länger, er wird sie ausdehnen bis zur Stunde seines Todes.
    »Zwischen vier und zwölf Tagen dauert es, bis aus dem Ei eine Raupe wird«, sagt James im Liebesrausch zu Plutarco. »Ich werde den herrlichsten, wollüstigsten und frechsten Schmetterling aus dir machen, den einzigen, der Zugang zu den Kelchen aller Blumen hat. In dir werden die drei Königreiche leben. Du kommst zu mir, Plutarco, in einen Mantel aus Schmetterlingen gehüllt, edel bist du und mächtig wie sie, Fürst der Entfernungen, König der Könige, Sultan aller Wünsche, die ich von klein auf in mir trage, geflügelter Aristokrat, Prinz der Flügelschläge, du bist alles, was ich mir erträumte, du warst eine Raupe, deren Körper kaum fünf Gramm wog und zehn Zentimeter maß, sieh nur, was aus dir geworden ist. Bevor ich dich sah, war die Welt absurd und ohne Sinn, jetzt zeigst du mir eine stimmige, harmonische Welt. Begreifst du das, Plutarco?«
    Er erzählt ihm vom Versepos Die Konferenz der Vögel , in dem Attar, ein persischer Schriftsteller aus dem 12. Jahrhundert, den Flug der Vögel auf der Suche nach ihrem König beschreibt.
    »Du bist mein Tal der Gefahren und der Wunder.«
    Einen attraktiveren Mann als Plutarco kann es nicht geben. Ihm würden die Herrscher der Erde huldigen. »Plutarco in Badehose ist die vollkommene Verkörperung des Regengottes Yuku.« James fotografiert ihn in einem fort und beauftragt Pawel Tschelitschew in New York damit, seinen herrlichen Körper zu malen; er will das schönste aller Modelle in seiner Sammlung haben. Auch Leonora steckt er an mit seinem »den Mann musst du gesehen haben!«.
    »Dieser Yaqui ist ein Adonis, Leonora, das Beste, was die Schöpfung je hervorgebracht hat.« Er lädt sie ein, ihn in den Urwald zu begleiten.
    »Mit Gaby und Pablo?«
    »Natürlich!«
    James hat sich einen Trailer gekauft, darin fahren sie gemeinsam inmitten eines Unwetters auf überfluteten Straßen nach Xilitla. Leonora sitzt neben Plutarco, die Kinder und James hinten.
    »Was werden wir frühstücken, Ma’?«
    »Zwei Rhinozerosse, einen Tapir und ein gelbes Vögelchen mit Zuckerguss. Ins Wasser dürft ihr aber erst drei Stunden nach dem Essen, sonst kriegt ihr Magenkrämpfe.«
    Plutarco springt ins Becken und steigt glänzend und muskulös aus dem Wasser. Alle klatschen, und er bedankt sich mit vollendeter Anmut. Mit einem Badetuch in der Hand läuft James auf ihn zu und hüllt ihn vor Leonoras, Gabys und Pablos Blicken darin ein. Dann verneigt er sich tief vor dem Yaki, als wolle er ihm die Füße küssen, und Plutarco ist befangen. ›Ausländer kennen kein Maß‹, denkt er. Und Leonora, ein verschwörerisches oder vielleicht eifersüchtiges Schmunzeln auf den Lippen, stellt fest: »Edward macht sich ganz schön lächerlich.« Nun fordert James alle auf, gemeinsam mit ihm nackt ins Becken zu springen, woraufhin sich die Einheimischen schleunigst verdrücken. »Meine Güte, was für ein verrückter Kerl!« James aber beharrt darauf, dass seine Angestellten sich entblößen und mit ihm baden gehen. »Sie schämen sich«, erklärt ihm Plutarco. Der Bauleiter sagt, so seien sie eben, die Reichen, sie glaubten, ihnen sei alles erlaubt.
    James, der noch nie so glücklich war, schnattert wie ein Papagei und läuft mit einer zahmen Boa auf dem einen und einem kleinen Krokodil – oder vielleicht einem Leguan? – auf dem anderen Arm umher.
    Gaby faszinieren die Glühwürmchen, Pablo die Heuschrecken, die er fern der Erwachsenen und ihrer Spleens in einer Metalldose aufbewahrt.
    »Plutarquito«, ruft Edward aufgeregt, »komm, ich zeige dir die Wunderwerke der Zivilisation.«
    Der Yaki begleitet ihn zu seinem Trailer, in dem sich Kochnische und Bad befinden. James zündet die Gasflamme an, und Plutarco weicht zurück und ruft erschrocken: »Oh!« Dann zeigt James ihm den Kühlschrank, und abermals ruft Plutarco: »Oh!«
    »Hast du so etwas noch nie gesehen?«, fragt Pablo.
    »Doch, natürlich kenne ich Gas, Eis und Strom. Aber wenn es ihm Spaß macht, stelle ich mich eben dumm.«
    »Stellen sich hier alle dumm?«, will Pablo wissen.
    »Nein, die anderen spielen die Schlaumeier, aber ich habe sie gut im Griff.«
    Edward tut alles, um

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