Frau des Windes - Roman
vielen Plakate der Iberischen Anarchistischen Föderation porträtiert hatte. Bandi strebte nach Ruhm, seine Genossen hat es indes nie danach verlangt.
Die Katherine Deutsch seiner Budapester Jugendjahre war die Einzige, die ihn wirklich kannte. Hätte er nicht gegen Horthy demonstriert, wäre der unerschrockene Bandi Theaterdirektor in Buda geworden, ihrer beider Stadt, und sie, Kati, seine wichtigste Schauspielerin.
»Bestimmt trauern auf der ganzen Welt Frauen um ihn, vor allem Ingrid Bergman.«
»Und du, Kati?«
»Ich bin schon lange untröstlich.«
»Ich werde Leonora und Remedios anrufen.«
Die drei Frauen fühlen sich verbunden durch ihre europäische Vergangenheit, den Krieg, die Kunst und ihre Verwaistheit; sie leisten sich Gesellschaft, trösten und ermutigen einander.
Während Leonora Pferde malt, tummeln sich auf Remedios’ Leinwänden Katzen und Uhus.
»Warum malst du Uhus, wo es doch heißt, sie seien Todesboten?«, fragt Gaby Remedios.
»Weil ich mit dem Tod verheiratet bin.«
»Meine Mutter malt Boudicca und hat mir erklärt, diese kriegerische Königin sei an der Spitze ihrer Männer geritten und rothaarig gewesen wie du.«
»Gefällt dir, was ich male?«
»Pablo mag Magritte lieber.«
»Und du?«
»Ich mag deine Farnkatze .«
Seit einiger Zeit macht Leonora eine Psychoanalyse bei Ramón Parres, da sie jedes Mal, wenn ein Bild fertig ist, von Depressionen erfasst wird. Die Malerei ist ihr Balsam, wie es das Opium für Joë Bousquet war, mitunter aber überfallen sie schon morgens an der Staffelei die Angstzustände. Verzweifelt versucht sie, das Antlitz der Bestie zu erkennen, die sie blind im Nebel herumstochern lässt, und manchmal ruft sie Pedro Friedeberg an:
»Kannst du mich mit deinem Wagen in die Klapsmühle bringen?«, bittet sie ihn.
Neben dem Telefon versucht Chiki, sie zu beruhigen.
»Chiki, jeder Mensch ist Herr über sein eigenes Schicksal, und ich werde nicht zulassen, dass du mich zugrunde richtest.«
Er schweigt. Das Temperament seiner Frau übersteigt seine Möglichkeiten.
Pedro wartet im Wagen und fährt sie wieder nach Hause.
»Weißt du, Leonora, eines Tages werden Psychologie, Hypnose und Psychiatrie vom Erdboden verschwinden, weil sie einen Angriff auf die öffentliche Gesundheit darstellen.«
Genau wie Leonora würde auch Remedios gerne zur Vervollkommnung ihrer selbst gelangen. Die Phasen der Gelassenheit währen nur kurz, in Erongarícuaro aber kann sie sich jedes Mal entspannen.
»Remedios, du malst ein Universum, in dem alles relativ ist«, sagt ein Freund dort zu ihr. »Mach dir weniger Sorgen, deine Malerei schleudert dich in den Kosmos.«
»Manchmal sind meine Visionen niederschmetternd.«
»Male deine Träume, Remedios, und sag Leonora, sie soll das Gleiche tun, ich habe das Gefühl, sie ist noch bedrückter als du.« »Anders als ich besitzt sie die Fähigkeit, Wut zu empfinden. Ich will nicht länger ums Überleben ringen müssen wie eine Ertrinkende. Deshalb suche ich jemanden, der mich führt.«
»Wenn man sich immer mit Menschen umgibt, die ebenfalls im Exil leben, fühlt man sich ausgeschlossen. Versuch, auch andere Leute zu treffen.«
»Wir haben nur uns selbst als Familie. Die Mexikaner interessieren sich nicht für uns. Wenn ich mit ihnen zusammen bin, fragt mich nie jemand, was ich mache oder wovon ich lebe.«
»Fragst du denn irgendwen danach?«
»Nein.«
Über die britische Botschaft lernt Leonora den Engländer Rodney Collin Smith kennen, der ein Jahr nach dem Tod seines Lehrmeisters Ouspenksy nach Mexiko gekommen ist.
»Er ist einer von diesen Erleuchteten, wie sie dir wahrscheinlich gefallen«, sagt Elsie Escobedo. »Er hat Ouspensky begleitet, als der schon ein gebrochener, in Selbstmitleid versunkener Mann war, hat miterlebt, wie er im Suff gestorben ist, und beschlossen, selbst geistiger Führer zu werden.«
»Anhören möchte ich ihn mir auf jeden Fall, denn neben dem Weg des Fakirs, des Mönchs und des Yogis gibt es noch einen vierten Weg, den der Sublimierung sexueller Energie. Und die ist mächtig, da wirst du mir sicher zustimmen.«
»Mein Fall ist das alles nicht, und ich finde, du brauchst diese Rasputin-Typen zweiter Klasse nicht. Nehmt mal ein kaltes Bad, du und Remedios, das ist gesünder und bringt mehr als dein vierter Weg.«
Rodney Collin Smith ist ein naiver und gutgläubiger Mensch, der häufig von anderen ausgenutzt wird, jedermann zu Diensten ist und auch noch den abwegigsten Wünschen zuvorkommt.
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