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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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vertreiben, packen die Studenten der UNAM beim Bau ihrer Behausungen mit an. Das wahre Leben findet im Polytechnischen Institut und auf dem Campus statt. » UNAM , freies Territorium von Amerika«, schreit ein junger Mann ins Megafon.
    Pablo bringt Freunde mit nach Hause, am Küchentisch planen sie gemeinsam, die ›offizielle Partei‹ abzuschaffen, korrupte Richter aus dem Amt zu jagen, auf die Straße zu gehen und Reifen aufzuschlitzen, Märsche und Wachen zu organisieren. »Ich bin wirklich entsetzt über die Männer, die uns regieren«, sagt sein Kumpel Martín Dozal, der bei fast jedem Treffen dabei ist. Gaby hält ihn für intelligent, weil er auch über den Machismo in den mexikanischen Familien spricht und erzählt, wie sehr er seine Mutter, eine Schneiderin, bewundere. Pablo mokiert sich über die hohlen politischen Reden, in denen es ständig um die mexikanische Revolution geht. Dozal erzählt, er habe Soziologie studieren wollen, weil er die Soziologen für besonders radikal gehalten habe, sei aber maßlos enttäuscht worden. Auch die Anthropologiestudenten seien im Grunde nur Großmäuler. Die braven Mädchen in der Pädagogischen Fakultät würden von ihren Chauffeuren zum Unterricht gebracht und verweigerten ihren Kommilitonen den Glanz ihres Lächelns.
    Gaby ist weiterhin in Kontakt mit Renato Leduc. Der kommt bisweilen zum Abendessen, dann beklagt Gaby sich bei ihm über die Bürokratie an der Uni, über die Sekretärinnen, die die Studienunterlagen verschlampten, über die Warterei an den Schaltern und Sprüche wie »Ihnen fehlt noch eine Kopie Ihres Abiturzeugnisses« oder »Ihr Geburtsdatum stimmt nicht mit dem überein, das hier steht«. Renato antwortet den Jungen, die schlimmste Bürokratie sei die Ehe, weil sie die Liebe töte, und dass junge Leute sich für gesellschaftliche Veränderungen engagierten, sei im Grunde eine bescheuerte Erfindung, denn kaum würden sie älter, passten sie sich dem System an. Gaby lacht mit ihm, Renato ist der bestinformierte Mensch in ganz Mexiko, er versteht es, schlechte Nachrichten mit Humor zu würzen, und behauptet lachend, als Freundin sei Leonora wundervoll, aber als Ehefrau ein Churchill im Rock.
    »Ich heirate trotzdem«, entgegnet Pablo.
    »Heiraten«, wirft Leonora hitzig ein, »das ist, wie sich mit der Polizei anzulegen, obwohl die gar nichts von einem will.«
    »Ma’, wir werden nicht das ganze Leben bei dir wohnen.«
    Die täglichen Nachrichten sind gespickt mit Schlagwörtern wie ›Rote‹, ›Provokateure‹, ›Infiltrierte‹, ›Subversive‹, ›Kommunisten‹, ›Störenfriede‹, ›Marxisten‹. Leonora ist entsetzt.
     
    Edward James bringt zwei Königsboas mit.
    »Könntest du mir ein paar Ratten als Futter für die Schlangen besorgen«, fragt er Pablo.
    »Die, die wir im Labor haben, brauchen wir für unsere Versuche.«
    Schließlich gelingt es Pablo, zwei fette Ratten für Edward zu bekommen, der sie in sein Zimmer im Hotel Francis mitnimmt und dort in die Badewanne zu den Boas wirft. Als er zwei Tage später das Bad betritt, haben die Ratten die Boas gefressen.
    Pablos Medizinpraktikum zieht sich oft bis spät in die Nacht, um ein oder zwei Uhr morgens kommt er nach Hause. Manchmal vergisst er den Hausschlüssel, dann steht Chiki auf und lässt ihn herein. Nachdem er ihm einen Kaffee gemacht hat, gehen sie zusammen Gassi mit George, einem Collie, den Pablo über alles liebt. Während George an Häuserwänden und Urinpfützen herumschnüffelt, vertraut Pablo seinem Vater seine Sorgen an.
    Jedes Mal, wenn es an der Tür klingelt, fährt Leonora aus der Haut. Gaby und Pablo haben einen Matrizendrucker, vervielfältigen Flugblätter, in denen sie die Spezialeinheiten der Bereitschaftspolizei, die Granaderos , und die Regierung attackieren oder die nächste Demonstration ankündigen. Wenn sie nicht gerade ihre Aufrufe drucken, ziehen sie los und sammeln Geld in Blechdosen mit der Aufschrift des Nationalen Streikkomitees. »Warum seid ihr nicht in der Schule?«, schimpfen ihnen Autofahrer hinterher oder: »Geht lieber arbeiten, ihr Nichtsnutze!« Bei den jungen Leuten staut sich die Wut, es wird Zeit, sich Gehör zu verschaffen, von den Erwachsenen haben sie nichts mehr zu erwarten.
    An der Ecke des Mercado Sonora steigt Pablo auf eine Kiste und ergreift das Wort, Gaby verteilt Flugblätter in Bussen und vor Fabriktoren und improvisiert kleine Theaterstücke. In den Zeitungen und Nachrichtensendungen geht es nur noch um die bevorstehenden

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