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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Olympischen Spiele und um die Furcht davor, dass die Studentenbewegung Mexikos Ansehen in der Welt schaden könnte. Den Saboteuren müsse Einhalt geboten werden. »Warum erscheint der Präsident nicht auf dem Balkon des Regierungspalastes?«, wettert Pablo. Und Gaby zieht in seinen improvisierten Theaterstücken die Herrschenden durch den Kakao.
    Über die Avenida Álvaro Obregón rollen Lastwagen voller Granaderos in blauen Uniformen und mit Helmen wie Nachttöpfen auf dem Kopf. Gaby und Pablo haben sich den medizinischen Brigaden angeschlossen, Pablo hat schon einige Verletzte versorgt. Sie leben mit realen und eingebildeten Ängsten, denn die Armee wird immer präsenter, und in der Medizinischen Fakultät ist inzwischen die Rede von Vermissten.
    Chiki und Leonora fühlen sich in Kriegszeiten zurückversetzt. Nur die Bomber über der Stadt fehlen noch. Wenn es klingelt, laufen Gaby oder Pablo zur Tür, und jeder ihrer Freunde schaut sich vorm Betreten des Hauses nach allen Seiten um, ob ihnen auch keiner gefolgt ist. »Ich komme die Flugblätter abholen«, »Edgardo Bermúdez vom Poli ist geschnappt worden«, »Jetzt sind sie hinter den Lehrern her«, »Luis Tomás Cervantes Cabeza de Vaca ist gefoltert worden«. Leonora zieht es jedes Mal die Brust zusammen, wenn ihre Söhne aus dem Haus gehen. Chikis Augen werden rot vor Angst.
    Einige Studenten breiten Matten und Schlafsäcke in den Hörsälen und auf den Fluren der Geisteswissenschaftlichen Fakultät aus. »Unsere Familie steht schon auf der schwarzen Liste. Meine Eltern sind total sauer auf mich.« Die Regierung sieht in der UNAM eine Brutstätte für Agitatoren. Warum erlaubt der Rektor Barros Sierra, dass die Studenten im Hörsaal übernachten? ›Das sind keine Studenten, sondern Parasiten, Zyniker und Analphabeten.‹
    Gaby und Pablo wechseln die Straßenseite, wenn sie einen Polizisten sehen. Gaby hat lange Haare und einen Welpen, den er überall in der Jackentasche mitnimmt. Zu Hause betört er damit die Verehrerinnen, die vor der Haustür stehen. Lässig, mit einer Hand, holt er das Hündchen aus der Tasche, damit es Luft schnappen kann, und das verliebte Mädchen ruft: »Oh, wie süß! Ach Gott, der passt ja genau in deine Hand!«
    Gemeinsam mit den Kommilitonen beteiligen sich die Brüder an Demonstrationen, und Gaby veranstaltet seine Happenings und Zirkusnummern. »Deine Söhne waren auf der Demo, Leonora«, »Ich habe Pablo vor dem Rektorat getroffen«, »Pass gut auf ihn auf, ich habe das Gefühl, er steckt voll in der Studentenbewegung, und zurzeit hat Díaz Ordaz alle auf dem Kieker, die gegen die Olympiade protestieren«. Mit geschultertem Rucksack verlassen die Brüder das Haus, und Leonora weiß nie, wann sie zurückkommen.
    »Ich habe Angst, dass ihnen etwas zustößt.«
    Chiki schweigt. Den Granaderos ist alles zuzutrauen. Auf den Flugblättern werden sie als Orang-Utans dargestellt.
    Entlang des Paseo de la Reforma parken blaue Polizeibusse.
    »Mit denen bringen sie einen in den Knast«, erklärt Pablo.
    Dreimal am Tag fahren Armeelastwagen voller Soldaten vorbei.
    »Wir haben Angst, dass noch Schlimmeres passiert, in vielen Stadtteilen halten schon Leute Totenwachen«, vertraut Inés Amor Leonora beim Tee an.
    Am 18. September dringt die Armee gewaltsam in die Universitätsgebäude ein, verhaftet Beamte, Sekretärinnen und Studenten. Entsetzt erfahren Leonora und Chiki von der Belagerung des Campus. »Sie haben die Bücher von den Tischen gefegt, auf ihnen herumgetrampelt und draufgepinkelt.«
    Im Stadtviertel Lindavista wird der Biologiestudent Lorenzo Ríos Ojeda beim Besprühen einer Wand von einem Polizisten erschossen. Seinen Eltern hat er gesagt, er werde spät nach Hause kommen, weil er ›Bürger, vereinigt euch‹ an die Mauern schreiben wolle. Pablo kannte ihn, hat zusammen mit ihm Seminare besucht.
    »Ma’, wir sind keine großen Aktivisten, aber nur zusehen können wir auch nicht. Das habt ihr uns doch beigebracht, und im Kibbuz haben wir das auch gelernt.«
    Leonora ist froh, dass einige ihrer Freunde die Studenten unterstützen und sich sonntags an der UNAM auf dem Platz vor dem Rektorat einfinden, um etwas vorzutragen und Musik zu machen. Gabriel Zaid liest aus seinen Gedichtbänden vor, und die Liebespaare sitzen auf dem Rasen und lauschen.
    »Es heißt, Pino und Salvador Martínez della Rocca seien verhaftet worden, und im Polytechnischen Institut haben sie viele geschnappt, die stecken jetzt richtig im

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