Frau des Windes - Roman
– allesamt begehrenswert – haben Angst, zu lachen oder zu laut zu sprechen. Nicht einmal zum Tanzen ziehen sie ihre Handschuhe aus. Man unterhält sich ausschließlich über das Wetter, die Fuchsjagd oder das geeignetste Reiseziel für den nächsten Sommerurlaub. Cecil Beaton fotografiert Leonora, und ihre Mutter träumt von einer königlichen Hochzeit und sagt: »Tu dois faire un grand mariage. Ton père et moi …« Leonora irritiert es, wenn die Mutter Französisch mit ihr spricht.
»Mama, du sprichst Französisch wie eine holländische Kuh.«
»Werd nicht frech.«
»Das ist nicht frech, es stimmt. Außerdem stimmt es, dass du zugenommen hast.«
Unter einem weißen Zelt im Garten des Buckingham-Palastes Tee zu trinken, findet sie absurd. Die Gäste wandern mit ihren Tassen umher, werden einander vorgestellt, Leonora reicht die Hand, jemand küsst sie, manchmal genügt auch ein leichtes Nicken, dann geht sie weiter zu einer anderen Gruppe. Versucht einer der jungen Männer, eine Unterhaltung anzuknüpfen, hört Leonora schon nach kurzer Zeit nicht mehr zu, und obwohl sie lächelt wie die Mona Lisa, versteht der andere, dass er auf dem grünen Rasen der Garden Party immer weniger Raum einnimmt. Nicht ein einziger Gast auf all diesen Bällen und Five O’Clock Teas erregt Leonoras Aufmerksamkeit; sie dagegen zieht die Blicke auf sich, und wo sie vorbeikommt, wird geraunt, sie sei nicht nur hübsch, sondern auch reich. »Eine exzellente Partie!«, »Hast du gesehen, wie sie geht, wie sie blickt, wie sie verschmäht?«, »Ihre Schönheit ist furchterregend, sie ist unnahbar!«.
Maurie hat darauf bestanden, die Garderobe ihrer Tochter zusammenzustellen, die dreimal am Tag zum Umziehen ins Hotel läuft. Sie hat kaum Zeit, das Vormittagskleid abzustreifen, um in ihr Nachmittagskleid zu schlüpfen und abends das lange Kleid anzuziehen, das ihre Mutter neben den Tanzschuhen auf dem Bett ausgebreitet hat. Auf keinen Fall darf sie zweimal dasselbe tragen, keine Debütantin würde diesen Fauxpas begehen. Und dann auch noch das dreireihige Perlencollier und der Siegelring mit dem Familienwappen! Maurie macht sie darauf aufmerksam, dass dieser ganze Trousseau sehr teuer war und Harold ein vorbildlicher und großzügiger Vater ist. Leonora denkt das Gegenteil: ›Mein Vater macht mir Angst, und wenn er mir keine Angst macht, langweilt er mich.‹ Am liebsten trägt sie das erstklassig geschnittene Kostüm, das für den Besuch beim Pferderennen in Ascot bestimmt ist; seine graublaue Farbe erinnert sie an regenschwere Wolken. Die Seidenbluse sitzt perfekt, der bauschige Kragen knittert nicht und schmeichelt ihr. Trotzdem provoziert Leonora ihre Mutter: »Ich ziehe mich nicht gerne an, ich ziehe mich gern aus.«
Als einer der Ehrengäste hat Leonora in Ascot ihren eigenen Platz auf der königlichen Tribüne.
»Ich will wetten.«
»Das geht nicht. Dort oben ziehst du die Aufmerksamkeit des Publikums auf dich, jeder merkt es, wenn du dich bewegst oder aufstehst. Ist dir noch nie aufgefallen, dass die Monarchen nicht niesen?«
»Dann will ich zum Paddock gehen und mir die Pferde anschauen.«
»Das kannst du dir nicht erlauben. Man hat dich dorthin gebeten, weil du dich zu benehmen weißt.«
»Und wozu hat man mich eingeladen, wenn ich nichts machen darf?«
Bei ihrer nächsten Einladung auf die königliche Tribüne von Ascot nimmt Leonora sich ein Buch mit. »Was lesen Sie?«, fragen Herzog, Prinzessin, Graf. »Aldous Huxley: Geblendet in Gaza «, antwortet sie, ohne den Blick von den Seiten zu heben. Fortan unterbricht keiner der übrigen Gäste mehr die Lektüre dieses sonderbaren Wesens, das sie zu verachten scheint. Auf der Tribüne weiß niemand, wer Huxley ist.
»Hat es Spaß gemacht?«
»Ich habe das Buch fast ausgelesen.«
»Du bist unverbesserlich, das tust du doch nur, um uns zu ärgern. Du weißt, dass auch der Smaragdring für dich bestimmt war, aber den hast du soeben mit deinem jämmerlichen Verhalten verspielt.« Leonora bemüht sich wahrlich, Maurie zu quälen. Die glaubt inzwischen auch, dass Harold recht hat, wenn er sagt: »Deine Tochter ist unmöglich.« Sie ist enttäuscht und traurig und will nicht länger ihre Freundin sein, Leonora hat sie beide verraten.
Zurück in Hazelwood, schließt die Mutter sich in ihren Räumen ein, und bei Tisch richtet der Vater das Wort nicht mehr an sie. Alles ist schiefgelaufen!
Leonora reitet mit dem Sohn des Besitzers des benachbarten Schlosses aus. Dessen
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