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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Ratschlag. Wenn ich trinke, spüre ich nicht, wie die Tage vergehen.«
    Catherine erbarmt sich.
    »Wenn du nicht wegwillst, bleibe ich bei dir. Aber dann wird uns wahrscheinlich derselbe Gendarme abholen, der auch deinen Geliebten mitgenommen hat. Michel ist Ungar, falls die Deutschen ihn finden, verhaften sie ihn. Aber ich lasse dich nicht im Stich, du bist in Gefahr, wir alle sind in Gefahr. In Madrid könntest du übrigens ein Visum für Max bekommen, hier dagegen bist du zu nichts nutze.«
    Catherine, die Therapeutin, weiß, dass sie ihrer Freundin helfen und sich um ihre Zukunft kümmern muss.
    »Hör auf mich: Befrei dich von Max wie damals von deinem Vater.«
    »Spanien ist unsere Rettung«, fügt Michel hinzu.

Die Flucht
    Immer wenn Leonora an Max denkt, krümmt sie sich unter Magenschmerzen. Sie hat seinen Pass zusammen mit ihrem eigenen aufbewahrt; sie wird ihm ein Visum beschaffen. Wieso ist ihr dieser Gedanke nicht schon eher gekommen? Spanien könnte ein neues Leben mit Max bedeuten.
    Bei der Gendarmerie in Bourg St. Andéol verweigert man ihr die Ausreiseerlaubnis.
    »Kommen Sie morgen wieder oder erkundigen Sie sich im Bürgermeisteramt.«
    Die Gleichgültigkeit der Beamten ist kränkend.
    »Wir fahren so oder so«, schreit Leonora, als sie wieder bei Catherine im Fiat sitzt. »Ich sage jetzt sofort Fonfon und den Leuten im Dorf Bescheid, dass ich gehe.«
    »Und was machen wir mit dem Haus?«, fragt Catherine besorgt. »Wir müssten es verbarrikadieren.«
    »Die Leute hier sind ehrliche Menschen, das Haus kann ich jedem von ihnen anvertrauen. Ich glaube, ich werde dem Besitzer des Hôtel des Touristes den Schlüssel überlassen.«
    Im Hôtel des Touristes in Saint-Martin trifft sie nur die Ehefrau des Hoteliers an.
    »Keine Sorge, wir gehen gemeinsam zum Notar, die Sache ist in zehn Minuten erledigt.«
    Beim Notar wird Leonora nervös.
    »Unterschreiben Sie«, befiehlt die Hoteliersfrau mit strenger Miene, »ich übernehme die Verantwortung.«
    Leonora unterzeichnet die Überschreibung des Hauses und all ihrer Habe auf den Hotelbesitzer.
    Pierre, der Winzer, kommt zum Haus, in dem sich Leonora immer noch aufhält.
    »Die Lage hat sich geändert«, sagt er. »Die boches sind eingerückt. In den Straßen von Sedan kann man die Angst mit Händen greifen.«
    Während Catherine Yarrow die Küche aufräumt und die Pfannen an die Decke hängt, verbringt Leonora die nächtlichen Stunden damit, ihre Sachen ein- und wieder auszupacken. Sie hat einen Lederkoffer von Brooks Leather, der ihr Namensschildchen trägt und darunter eine kleine Plakette mit dem Wort ›Revelation‹.
    ›Dieses Wort ist mit Sicherheit eine Botschaft aus dem Kosmos‹, denkt sie.
    Um fünf Uhr morgens, als sie den Koffer schließt und sich schlafen legen will, hört sie Catherines Stimme:
    »Leonora, bist du fertig?«
    Leonora lässt fast alles zurück: Katzen und Hunde, Weingärten, Skulpturen, den Schal mit den Glöckchen, Max’ Bilder und ihre eigenen. Auch die Bücher vergisst sie und das Album, in das sie begonnen hat Fotos einzukleben. Ihre Gedanken kreisen nur noch um Spanien und das Visum für Max.
    Ungerührt schauen die Wandreliefs ihr hinterher. Kühl wie die Frau des Hotelbesitzers, der Leonora beim Abschied das Haus mit den Worten übergeben hat:
    »Passen Sie gut darauf auf, es ist unser Heim, wir werden zurückkommen. Dieses Haus bin ich, es ist mein Leben.«
    Catherine setzt sich ans Steuer, Michel auf die Beifahrerseite. Kaum startet der Motor, fühlt Leonora den Fiat als Teil von sich selbst. Angespannt bis in die letzte Faser ihres Körpers, wendet sie den Blick nicht von der Straße, sie ist der Motor. Wenn ihre Freundin Gas gibt, drückt auch ihr rechter Fuß aufs Pedal. Zwanzig Kilometer hinter Saint-Martin bleibt der Wagen plötzlich mit blockierter Kupplung stehen.
    »Das war ich«, verkündet Leonora.
    »Was meinst du damit?«, fragt Catherine nervös.
    »Ich lenke die Energie der Erde, von mir gehen ungeahnte magnetische Kräfte aus, ich war es, die dem Wagen den Befehl erteilt hat.«
    Erschrocken über ihre eigene Macht, fühlt sie sich schuldig. Sie ist das Auto, die Batterie, die Kupplung, das Lenkrad, der Kühler.
    »Wenn du allmächtig bist, dann bring den Wagen schleunigst in Ordnung, die Nazis rücken näher.«
    »Mein Sonnensystem wird dem Fiat einen Befehl erteilen und die Kupplung in Gang bringen.«
    Ohne ersichtlichen Grund fährt der Wagen wieder.
    Die Fahrt ist die Hölle, Catherine und Michel

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