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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Tagesanbruch trifft sie eine Entscheidung:
    ›Ich muss mich bewegen, nur mit Arbeit ertrage ich das alles.‹
    Mit leerem Magen und ohne Kopfbedeckung geht sie in den Weinberg und beschneidet Rebe für Rebe, bis ihr der Nacken unter der brennenden Sonne schmerzt. Trotz der Schufterei ist Max’ Abwesenheit eine Qual. Zurück im Haus, krümmt sie sich wieder über der Kloschüssel, steckt sich den Finger in den Hals, aber es kommt nichts heraus, ihre Kehle ist wund, ihre Brust brennt, ihr ganzer Körper zittert. Sie läuft zwischen Schlafzimmer und Küche hin und her und legt sich schließlich auf den Kartoffelsack.
    Die ganze Woche über isst sie nur gekochte Kartoffeln, mal eine, mal eine halbe. Noch nie hat sie einen solchen Tatendrang verspürt. Mit der Sonne steht sie auf und legt sich mit ihr schlafen, springt morgens eilig aus dem Bett, bevor die bedrückenden Gedanken sie überfallen, und da sie angezogen geschlafen hat, kann sie sogleich hinauslaufen und sich um ihre Weinberge kümmern. Schweiß rinnt ihr über den Körper, ihr Nacken trieft. ›Was ich durchmache, ist eine Läuterung‹, sagt sie sich und kehrt erst wieder ins Haus zurück, wenn die Sonne am Horizont versinkt. Sobald die Erinnerung an Max auftaucht, schiebt sie sie mit Gewalt beiseite – lieber an eine Kartoffel denken, das ganze Leben ist eine Kartoffel. ›Ich könnte ins Dorf gehen und Butter kaufen, dann mache ich mir heute Abend eine Ofenkartoffel.‹ Manchmal sagt sie sich: ›Wie gut, dass Wein nicht nur anregend, sondern auch nahrhaft ist, er hält mich bei Kräften.‹ Sonntags legt sie sich nackt auf die Dachterrasse, sonnt sich wie eine Eidechse, danach genehmigt sie sich eine gute Flasche Wein. Abends noch eine. Wein ist ausgezeichnet, die wirkungsvollste Therapie.
    Es naht der Johannistag. Leonora geht ins Dorf, um Butter zu kaufen.
    »Was für ein komischer Krieg«, sagen die Kunden im Käseladen.
    In Paris redet man vom drôle de guerre , man erzählt sich, in Holland hätten Kinder die deutsche Luftwaffe ausgelassen begrüßt. Die Deutschen konnten doch unmöglich auf einmal ihre Feinde sein! In Polen hätten die Frauen mit ihren bunten Kopftüchern ihre Felder weiter bestellt, ohne zu ahnen, was vor sich ging. Im Dorf sind viele Belgier eingetroffen. Die Deutschen haben ihr Land überfallen, Belgien steht für Verrat. Sie haben die Lusitania versenkt. In Paris sind die Cafés überfüllt, die Franzosen suchen Zerstreuung trotz der polnischen Tragödie. Invasion?
    Nirgends zeigt sich Fonfon. Seitdem der Gendarme Max mitgenommen hat, sieht Leonora sie nur noch, wenn sie ihr im Café ein weiteres Glas Tresterschnaps serviert. Der Besitzer des Käseladens ist nicht mehr sonderlich freundlich zu ihr, dabei konnte er ihr früher nicht genug Komplimente machen. Er fragt sie, ob die Butter für die Schnecken sei.
    »Heute Nacht soll jemand bei Ihnen eingedrungen sein und Ihre Schnecken geklaut haben.«
    »Meine was?«
    »Seien Sie vorsichtig, die Leute sagen, auch Sie seien eine Spionin, und werden Sie womöglich denunzieren.«
    »Wollen sie mich mit einer Laterne suchen wie die Schnecken?«, fragt Leonora spöttisch.
    Die Engländerin hat keine Angst vor dem Krieg. Sie will nur Max wiederhaben.
    Nach ihrer köstlichen Kartoffel mit Butter schließt sie auf ihrem schmutzigen Kopfkissen die Augen und wiederholt den Satz, an den sie seit einigen Tagen fest glaubt:
    »Ich bin nicht zum Sterben bestimmt.«
    So findet ihre langjährige Freundin Catherine Yarrow sie vor, eine große, schlanke Engländerin, die im Frühsommer 1940 mit ihrem schlaksigen Freund Michel Lucas zu Besuch kommt.
    »Es herrschen üble Zeiten, Leonora«, sagt sie, »ich glaube, du solltest nicht hier bleiben.«
    Leonora hört kaum zu.
    »Ich gehe mal in den Garten und hole uns einen Salatkopf«, sagt sie. »Daraus mache ich euch einen leckeren Salat, ich habe Oliven da, Tomaten und Auberginen.«
    Verdreckt und mit leeren Händen kommt sie zurück. Sie ist hingefallen.
    »Wozu bin ich eigentlich in den Garten gegangen? Ihr bleibt doch über Nacht, nicht wahr? Ich schlafe in der Küche, damit ich höre, wenn es an der Tür klingelt, die Kartoffeln sind mein Kissen.«
    Besorgt sieht Catherine ihren Freund an. Dann mustert sie Leonora, die sich eine Zigarette nach der anderen ansteckt und sich einmal fast das Gesicht dabei verbrennt.
    »Max wird jeden Moment zurückkommen«, verkündet sie. In ihren schwarzen Augen blitzt die Angst auf.
    Verrückt sein, das ist Hin-

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