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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Industries?«
    Leonora dreht sich um, verlässt den Raum und lässt ihn allein weiterreden.
    Ein paar Tage später steht sie abermals im Büro des Konsuls, der längst begriffen hat, dass etwas mit Mister Carringtons Tochter nicht stimmt. Er ruft seinen Bekannten Doktor Martínez Alonso an.
    »Kein kleines Problem für die britische Botschaft! Immerhin ist sie die Tochter eines Großindustriellen. Ich habe bereits dem Botschafter, Eric Phipps, Bescheid gesagt, und er bat mich, in dieser Angelegenheit allergrößte Diskretion zu wahren. Vor allem sollen wir sie behandeln als das, was sie ist: die Tochter von Harold Carrington. Seinen Wünschen ist unbedingt Folge zu leisten.«
    »Die politischen Theorien der jungen Dame resultieren aus einer paranoiden Störung«, stellt Doktor Martínez Alonso fest, und vier Tage später fällt die Entscheidung, sie ins Ritz umzuquartieren.
    ›Ihre Tochter ist völlig verwirrt. Sie setzt nicht nur ihr eigenes Leben aufs Spiel, sondern bringt auch andere in Gefahr. Sie gehört dringend in ärztliche Behandlung‹, lautet das streng vertrauliche Kabel an die Direktion von Imperial Chemical Industries.
    Dass Catherine und Michel inzwischen abgereist sind, fällt Leonora gar nicht auf, noch dass man sie ihrer Bewegungsfreiheit beraubt hat. In ihrem Zimmer im Ritz, das viel schöner ist als das im Roma, fühlt sie sich wohl, wäscht ihre Kleider in der Badewanne und stellt sich aus den Handtüchern Gewänder zusammen. Dem Zimmermädchen teilt sie mit, sie sei mit Franco verabredet und brauche angemessene Garderobe für ihren Besuch.
    ›Dekolletiert oder hochgeschlossen? Enganliegend oder bauschig wie die Röcke der Tänzerinnen? Mit Hut und Handschuhen? Ich werde ihn aus seiner Trance befreien!‹
    Hat Franco sie erst einmal angehört, wird er sich mit England verständigen, dann mit Deutschland, anschließend mit Frankreich. Sie werden einen Friedensvertrag unterzeichnen, und der Krieg wird zu Ende sein.

Santander
    Im Ritz verabreicht Doktor Martínez Alonso Leonora Brom in Mengen, die ausreichen würden, um einen kasernierten Soldaten ruhigzustellen, und fleht sie an, den Kellnern, die sie aufs Zimmer bestellt, nicht nackt die Tür zu öffnen.
    »Doktor, ich weiß, wie ich den Krieg beenden kann. Arrangieren Sie für mich ein Treffen mit Franco. Wir müssen Hitler und Mussolini loswerden, die haben uns nicht nur in Gespenster verwandelt, sondern verteilen Angstportionen wie kandierte Mandeln unter den Leuten.«
    Die Hotelgäste beschweren sich über den Lärm, der aus ihrem Zimmer dringt. Zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit schreit sie herum.
    Der Geschäftsführer persönlich kommt zu ihr herauf und bittet sie um Ruhe. Doch Leonora verteidigt leidenschaftlich jede einzelne ihrer politischen Thesen:
    »Hitler hat uns hypnotisiert. Wenn wir nichts tun, wird er uns vernichten.«
    »Ich fürchte, Fräulein Carrington kann nicht im Ritz bleiben«, kündigt der Geschäftsführer an.
    Statt den Aufzug zu benutzen, läuft Leonora die Treppen hinauf und hinunter, rennt aus dem Hotel und kommt schon nach wenigen Minuten wieder ins Foyer gestürmt.
    »Ich laufe schneller als mein Körper«, sagt sie.
    Mit beiden Armen schiebt sie die Leute beiseite, ihre Gesten entstellen sie. Der Portier, der Mitleid hat, hält sie an.
    »Ich werde nicht zulassen, dass man mich fortbringt«, wehrt sie sich. »Ich bin nur äußerlich das, was Sie sehen, innen drin bin ich eine Stute der Nacht. So bin ich geboren. Tod dem Nationalsozialismus!«
    Doktor Martínez Alonso gibt sich geschlagen und überlässt sie der Fürsorge eines Arztes mit grünen Augen namens Alberto.
    »Alberto«, ruft sie begeistert, »du bist mein Bruder Gerard, du bist gekommen, um mich zu befreien, und wirst mir helfen, meinen Plan umzusetzen.«
    Sie fällt ihm um den Hals und will ihn sofort verführen.
    ›Seit Max fort ist, habe ich keine körperliche Liebe mehr erlebt und brauche sie unbedingt. Ich glaube, Alberto findet mich attraktiv und interessiert sich für mich. Außerdem reizen ihn die Millionen von Papa Carrington, die Imperial Chemical Industries in Madrid repräsentiert.‹
     
    Ein paar Tage später holt Alberto sie in ihrem Zimmer ab und lädt sie zum Essen ein. Er genießt es, sie durch Madrids Straßen gehen zu sehen. Ihre Gesten sind betörend wie ihre ganze Person. Sie weiß sich zu bewegen, sie läuft, lacht, unterhält ihn, sie sprüht vor Humor! Und Leonora genießt ihre Freiheit und schöpft sie aus.
    Alberto

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