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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Ernst besorgen?«, fragt Leonora ihn geradeheraus. »Er muss dringend aus Frankreich herausgeholt werden.«
    »Ich kenne Sie, mein Sohn arbeitet in der Madrider Niederlassung von Imperial Chemical Industries. Mit dem größten Vergnügen bin ich Ihnen behilflich.«
    Wieder Harold Carrington, der Allgegenwärtige, der Verfolger, der Nazi-Komplize! Geballte Angst schnürt ihr die Brust zusammen.
    »Van Ghent?«
    Um sich auszuweisen, hält Van Ghent ihr seinen holländischen Pass entgegen.
    »Der ist ja mit Hakenkreuzen verseucht!«, ruft Leonora entsetzt. »Sie gehören zur Gegenseite, bei Ihnen begebe ich mich in Gefahr.«
    »Das sind doch keine Hakenkreuze!«
    »Sie stehen mit den Nazis in Verbindung!«, schreit Leonora im Wahn.
    Sie muss sämtliche Ausweispapiere loswerden, das ist jetzt ihre einzige Rettung. In der Hotellobby hält sie einem Fremden ihren Pass entgegen.
    »Nehmen Sie, den schenke ich Ihnen.«
    Der Fremde weicht zurück, und Van Ghent beobachtet sie verächtlich. Leonora versucht, alles zu verschenken, was sie in ihrer Handtasche hat – Lippenstift, Puder, einen kleinen Spiegel und einen Kamm –, ohne Erfolg.
    »Warum schauen Sie denn so? Ich biete es Ihnen doch höflich an.«
    Sie errötet unter den Nadelstichen demütigender Zurückweisung.
    Van Ghent reicht ihr den Arm. Sein Körper ist eine Rüstung, sein Blick eisern. Das Gesicht mit den glattrasierten Wangen, der breiten Stirn unter dem spärlichen blonden Haar, dem kräftigen Kinn und den hervortretenden Wangenknochen gleicht einem Totenkopf.
    Von nun an, beschließt Leonora, wird sie mit allen brechen außer mit Van Ghent, der ihr mit Sicherheit das Visum für Max besorgen kann.
    Van Ghent bietet ihr eine Zigarette an.
    »Behalten Sie ruhig die ganze Schachtel«, sagt er, als er ihr Feuer gibt.
    Mit seinem martialischen Gang dirigiert er sie zum Tisch eines Cafés und fragt sie, was sie trinken möchte.
    »Einen Tee, bitte.«
    Von nun an folgt Leonora ihm wie einem Magneten, zur großen Erleichterung von Catherine und Michel, die sich von einer schweren Last befreit fühlen. Wenn Van Ghent sich an die Bar setzt, nimmt Leonora neben ihm Platz, bestellt statt eines Tees einen Scotch und bittet ihn in einem fort um Ratschläge. Der Holländer hat genug von ihr.
    »Glauben Sie ja nicht, dass ich nicht merke, Van Ghent, wie Sie hier alle Leute mit Ihrem Blick dirigieren. Sie erraten sogar, was die Gäste bestellen werden. Sehen Sie nur, alle, die am Café vorbeikommen, bleiben an unserem Tisch stehen!«
    »Ja, weil Sie Ihnen mit Ihrem überspannten Verhalten eine Show bieten.«
    »Ich rühre mich doch gar nicht von der Stelle.« Leonora wühlt in ihrer Tasche.
    »Was suchen Sie denn?«
    »Mein Pro-Republik-Abzeichen.«
    »Und warum tragen Sie es nicht?«
    »Ich glaube, ich habe es verloren.«
    »Es ist bestimmt in Ihrer Tasche.«
    Das Abzeichen taucht auf, und Van Ghent steckt es ihr mit galanter Geste ans Revers. Leonora weiß nicht, ob sie sich bei ihm bedanken oder Angst vor ihm und seiner grenzenlosen geistigen Macht haben soll. Würde Van Ghent es darauf anlegen, würde sogar Hitler vor ihm kapitulieren, kein einziger Bomber würde mehr Europas Himmel durchqueren, kein Panzer mehr durch die Dörfer rollen, jeder würde in sein Land zurückkehren, Max wäre jetzt an ihrer Seite. ›Falls Van Ghents Macht nicht schändlich ist, wird er Madrid retten.‹
    Leonora steht auf und geht von Tisch zu Tisch, um den Menschen die frohe Kunde zu bringen, und zeigt dabei auf den Retter Spaniens, Frankreichs und Englands. Die Gäste schauen in die angedeutete Richtung, aber Van Genth hat sich in Luft aufgelöst.
    »Dein Messias ist ein Gespenst«, rufen sie lachend.
    Drei Offiziere packen sie am Arm, stoßen sie in ein Auto und fahren mit ihr zu einem Haus mit schmiedeeisernen Balkonen. Die Männer zerren sie in einen mit rotem Satin ausgeschlagenen Raum voller Wandteppiche, vergoldeten Türen und Stuck, mit Bettvorhängen und chinesischen Vasen.
    Sie werfen sie aufs Bett, reißen ihr die Kleider vom Leib und versuchen, sie zu vergewaltigen. Leonora aber wehrt sich so heftig, dass sie schließlich von ihr ablassen. Während sie vor dem Spiegel ihre Kleider ordnet, leert ihr einer der Männer eine Flasche Kölnischwasser über dem Kopf aus. Ein anderer durchwühlt ihre Tasche.
    Dann fahren sie sie zum Retiro-Park, wo sie allein zurückbleibt und pausenlos im Kreis läuft, bis ein Polizist ihr merkwürdiges Verhalten bemerkt und sie fragt, ob sie sich

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