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Frau des Windes - Roman

Frau des Windes - Roman

Titel: Frau des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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wiederkommst, damit deine Abwesenheit nicht so unerträglich ist. Kennst du derartige Gefühle? Sie sind entsetzlich. Morgen gehe ich mit dir zum Konsulat, um nicht allein zu sein. Diese verlorene Nacht ist grauenvoll. – Jetzt werde ich hysterisch. Willst du mich bestrafen, kommst du deshalb nicht wieder? – Ich glaube nicht, dass du dazu fähig bist. Zum Glück bist du nicht wie ich. Ich wäre fähig, meine Katze, mein Haar und meine linke Hand zu verschenken, nur damit du wiederkommst. Ich werde meine wilden Gefühle abschütteln, damit ich nicht schlechter Laune bin, wenn du nach Hause kommst. Ich finde es schrecklich, böse auf dich zu sein. Ich liebe dich. Zwischendurch halte ich ab und zu inne, um zu horchen, ob du die Treppe heraufkommst. Wenn du nicht bald hier bist, schreibe ich noch eine Seite voll und dann noch eine, die ganze Nacht hindurch. Nichts ist grauenvoller als dieses Gefühl, das mich erstickt. Die Katze leidet wie ich, wenn sie allein ist, man müsste ihr ein paar Spritzen Cardiazol verpassen und sie in ein Irrenhaus am Meer stecken.
    (Siehst du, ich musste eine neue Seite anfangen.) Jetzt habe ich wirklich Angst. Was machst du? Wo bist du? Bist du in diesem Augenblick glücklich ohne mich? RENATO , UM DES TEUFELS WILLEN , KOMM SCHNELL ZURÜCK .
    Ich weiß nicht, ob ich losgehen und dich suchen soll. Aber ich wüsste ja gar nicht, wo ich dich suchen sollte … Es ist schrecklich. Ich merke, wie nah ich dem Wahnsinn bin: Ich schwitze und zittere wegen etwas, was für andere ganz belanglos wäre.
    Soll ich gehen oder nicht? Wie soll ich mich entscheiden? Ich glaube, jetzt fange ich an, Unsinn zu schreiben. RENATO , du musst mich einfach hören, hier in mir drinnen schreit es so laut nach dir. Hörst du mich denn nicht?
    Da meine Liebe zu dir allmählich zu albernem Geschwätz wird, solltest du wissen, dass man sich nicht in Verrückte verlieben darf, wir sind nämlich alle so.
    RENATO .
    RENATO .
    RENATO .
    Ich höre ein Geräusch auf der Treppe, aber du bist es nicht.
    Nein.
    Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich. Du wirst nach Hause kommen und keine Ahnung haben, was hier los war, welche Stürme aus Ängsten und Traurigkeiten ich ertragen musste. Du wirst ruhig sein.
    Ich leide entsetzlich, ich sterbe, ich bin wütend und weiß, dass ich übertreibe. R E N A T O, wenn du nicht kommst, bevor ich die nächsten vier Zeilen vollgeschrieben habe, gehe ich raus und betrinke mich. Restlos und traurig und würdig allein. Meine Rechtschreibung ist wirklich miserabel. Komm schnell, sonst gehe ich. Ohne dich sterbe ich vor Angst. Vielleicht erholst du dich gerade von mir. Renato, nachdem du diesen Brief gelesen hast, will ich, dass du mir mehrmals hintereinander sagst, dass du mich liebst, damit ich es auch wirklich glaube, und dass du mich mindestens hundertmal ganz, ganz zärtlich küsst, denn es ist furchtbar, eine hysterische Frau zu sein wie ich. Du darfst mich einfach nicht allein lassen, damn blast bugger and hell FIRE .
    RENATO , ICH HABE ENTSETZLICHE ANGST , OHNE DICH ZU SEIN .
    Gleich gehe ich die Treppe runter, ich liebe dich.‹

Schach dem König
    Peggy Guggenheim findet, dass ihre Bewunderung für Leonoras Malerei nicht durch ihre Eifersucht getrübt werden sollte, und nimmt deren Gemälde The Horses of Lord Candlestick in ihre Ausstellung ›Art of this Century‹ auf.
    Einunddreißig Surrealistinnen exponieren ihre eigene Revolution.
    Nervös läuft Peggy durch die Ausstellungsräume. Schon früh am Morgen sitzt Max neben dem Telefon und wartet auf einen Anruf von Leonora.
    »Das einzige Mal, dass ich bei Max eine Gefühlsregung erlebt habe, war mit Leonora«, stellt Djuna Barnes fest, »in meinen Augen ist er kalt wie ein Reptil.«
    Bei den Surrealistentreffen versucht Leonora, neben Breton zu sitzen. Sie erkennt sein Imperium an. Breton bewundert die Originalität der Malerin, die es geschafft hat, aus dem Abgrund aufzutauchen.
    »Nachdem ich deine Zeichnungen gesehen habe, bin ich immer mehr davon überzeugt, dass du über deinen Wahnsinn schreiben solltest. Als ich Arzt war, hat der französische Psychiater Pierre Janet mir von der Amour fou und seiner Studie über weibliche Hysterie erzählt. Seine Erkenntnisse über Erotik und Ästhetik habe ich in den Surrealismus einfließen lassen.«
    »Ich kann es nicht aufschreiben, André, noch nicht, es ist noch zu schmerzhaft.«
    »Aber du wirst vielen Menschen helfen,

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