Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel: Ein Schulkrimi - Der erste Fall von Frau Edelweiß (German Edition)
darüber diskutierten, ob sie die Polizei rufen sollten oder nicht. Frau Sommer war dagegen, da das die Angelegenheit seiner Frau sei. Frau Edelweiß saß, nachdem sie mit einem Machtwort und der Verteilung mehrerer Strafarbeiten, Ruhe in das Zimmer einkehren ließ, lange still und nachdenklich an ihrem Pult. Ihr Hirn arbeitete auf Hochtouren. Sie hatte da einen Verdacht. Die Kinder schienen zu merken, dass sie nicht so ganz bei der Sache war, sie nutzten die Gelegenheit aus und holten sich nach Belieben Spiele aus den Regalen, obwohl sie ihre Pflichtaufgaben noch nicht getätigt hatten. Frau Edelweiß war es nicht egal, sie bemerkte es einfach nicht. Sie war weit weg und dachte darüber nach, wie sie es anstellen könnte, die Besitzerin des Ohrrings ausfindig zu machen. Der Radeck, der tat nicht nur so, der ließ doch tatsächlich kein Röckchen anbrennen, aber um welches Röckchen handelte es sich nun? Die Ines, die blonde Referendarin, trug immer so schicken Modeschmuck. Er würde auch zu ihren langen Haaren passen. Die Kinder wurden unruhig. Einige meldeten sich ungeduldig. Schließlich überwand sich der Markus und sagte laut: „Frau Edelweiß wir haben Pause.“ „Was, Pause, wieso, ach ja, gut ihr könnt gehen.“ Erleichtert gingen die Kinder mehr oder weniger leise nach draußen. Die Lehrerin saß immer noch nachdenklich auf ihrem Platz. Sie hielt das Ohrgehänge in ihrer geöffneten rechten Hand. „Ich werde es versuchen, jetzt“, sagte sie laut zu sich. Überhaupt dachte sie immer laut. Sie fand das nicht merkwürdig, sie führte oft Selbstgespräche. Sie stellte sich dann immer vor, sie würde in einer Fernsehsendung zu einem Thema interviewt werden. Dann stand sie ihrem fingierten Gesprächspartner laut Rede und Antwort. Mit Vorliebe tat sie das auf der Toilette. Inzwischen achtete sie darauf, dass es niemand mitbekam. Auch vor ihren eigenen Familienmitgliedern vermied sie es. Es war ihr nicht peinlich, sie wollte aber nicht für verrückt erklärt werden. Ihr half es, ihre Gedanken zu ordnen. Manche Interviews konnte sie tagelang führen, immer wieder zum gleichen Thema. Jedes Mal wurden ihre Argumente besser und nuancenreicher. In der Schule ging das nicht. Da war sie nie unbemerkt. Deshalb krauste sie ihre Stirn, es war anstrengend leise zu denken. Manchmal rutschten ihr dann Wortfetzen raus. Aber sie konnte nicht anders. In ihrem Kopf ging es zu wie in einem Bienenkorb. Die Gedanken summten und brummten in ihrem Schädel. Zögerlich betrat sie das Lehrerzimmer. Sie merkte, dass sie schwitzte. Immer dann, wenn sie aufgeregt war, roch sie ihren Schweiß. Bei unangenehmen Telefonaten oder immer dann, wenn sie etwas Verwegenes vorhatte. Nur einmal kam ihr kurz in den Sinn, dass sie möglicherweise in einen Tatort vorgedrungen war. „Ach was, noch ist nicht passiert und so etwas wie einen Tatort gibt es nicht“. Insgeheim sagte ihr ihre Intuition etwas ganz anderes. Bleich und leblos saß Ines Schneider an ihrem Platz im Lehrerzimmer. Ungeschminkt und verheult. Dass ihr anscheinend etwas sehr Betrübliches passiert war, ließ sich jetzt nicht mehr verheimlichen. Wahrscheinlich hatte sie die ganze Nacht geheult und vor kurzem wieder damit angefangen. „Na, Ines wie geht es dir, wie war dein verlängertes Nato-Wochenende?“ Sie ließ mit keiner Reaktion erkennen, dass sie Frau Edelweiß gehört hatte. „Hallo, Ines, hat du was?“ Frau Edelweiß biss sich auf die Lippen. Sie mahnte sich: „Du musst sensibler vorgehen, wenn du Beweise haben willst. Die ist schwer angeschlagen, da erreicht man mit der Brechstange gar nichts.“ Frau Mundig schaute sie vorwurfsvoll an. Sie packte sie am Arm und zog sie zu einem anderen Tisch. „Mensch Sandra, kannst du nicht einmal ein bisschen einfühlsamer sein. Du siehst doch, dass sie Kummer hat.“ „Wieso denn, was hat sie denn?“ „Weiß auch nicht so genau. Sieht aus wie Liebeskummer. Die ist aber immer so verschlossen, weiß nichts Genaues. Lass sie in Ruhe!“ Das wollte Frau Edelweiß nun gar nicht hören. Sie wartete, bis sich Frau Mundig von einer Kollegin in ein Gespräch verwickeln ließ und pirschte sich wieder an die Blondine ran. „Jetzt muss die Trickkiste her“. Sie setzte sich neben die verstörte Frau und tat so, als wolle sie das Prospekt studieren, das auf dem Platz lag. Dann ließ sie unmerklich ihre rechte Hand zu Boden gleiten und ließ den Ohrring unter Frau Schneiders Stuhl fallen. Sie stand auf und hob ihn auf. „Oh, was haben wir
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