Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel: Ein Schulkrimi - Der erste Fall von Frau Edelweiß (German Edition)
denn da? Schau mal Ines, ist das nicht dein Ohrring, den habe ich gerade unter deinem Stuhl gefunden. Hast du nicht auch so einen?“, versuchte sie so unschuldig wie möglich herauszurufen. Unbeteiligt nahm Ines den Ohrring in die Hand und musterte ihn. Sie schien ihn gar nicht richtig wahrzunehmen. Frau Edelweiß wurde ungeduldig. „Hallo, Ines, ist das dein Ohrring?“ „Was? Ach der Ohrring. Nein, ich habe so ähnliche, die sind aber dunkler.“ „Bist du sicher? Der lag nämlich genau unter deinem Stuhl.“ Langsam kam sie in Bewegung. „Ehrlich gesagt steht mir der Kopf jetzt nicht nach Ohrringen, behalte ihn doch.“ „Was soll ich denn mit einem Ohrring?“ „Dann hänge ich ihn halt ans schwarze Brett.“ Dann endlich kramte Ines in ihrer Schultasche, sie zog ein kleines Mäppchen raus und öffnete es. In dem Schlampermäppchen kamen tatsächlich zwei dunkelrote Ohrgehänge zum Vorschein, die dem Ohrring recht ähnlich sahen. Der Unterschied bestand darin, dass die Ohrringe von Frau Schneider billig gemacht waren. Die Verschlüsse waren einfach und es sah auch nicht nach echtem Silber aus. Der einsame Ohrring hingegen, sah schon aus wie die Arbeit eines Juweliers. „Na, dann also nicht. Ich dachte, du hättest ihn verloren.“ Dann entdeckte sie etwas an ihrer Jacke. Sie war lässig über den Stuhl gelegt, sie erkannte deutlich eine Feder auf dem Ärmel. Es war alles nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hätte wetten können, dass der Radeck und die Ines. Aber nein, da war doch was, sonst hätte sie nicht diese Feder auf dem Ärmel gehabt. Die gleichen Federn waren im Rektorat verstreut. Zufall? Nein, es gab keine Zufälle, davon war sie überzeugt. Vorsichtig pickte sie die Feder auf und ließ sie in ihrer rechten Hand verschwinden. „Beweisstück Nummer zwei. Der Radeck, der Radeck. Am Nato-Gipfel mit zwei Frauen! Dieser alte Hengst. Na Stopp, so alt war er nun auch wieder nicht, aber einfach zu alt für die Ines, das stand schon mal fest.“ Die Gedanken drehten sich in ihrem Kopf. Sie musste das Rätsel lösen. Endlich hatte sie wieder eine Herausforderung. Nicht dass ihr gelegen wäre, dass ihr Chef so schnell wie möglich wieder auftauchte, aber hier schien es sich um derart schlüpfrige Geheimnisse zu handeln, wie sie sonst nur in der Boulevardpresse ausgeweidet wurden. Sie liebte Klatsch und Tratsch. Als gebildete und studierte Frau würde sie sich nie dazu hinreißen lassen eines dieser Schundblätter zu kaufen, womöglich noch in ihrem Ort, in dem man sie damit sehen könnte. Für die amourösen Angelegenheiten der Königshäuser interessierten sich doch nur bildungsferne Schichten. Nie, nein nie, würde sie sie öffentlich kaufen. Aber in den Arztpraxen und beim Friseur konnte sie ihrer Leidenschaft frönen. Der einfarbige Umschlag des Lesezirkels verbarg den eigentlichen Titelumschlag. Dort konnte sie sich auf Beatrix und Co stürzen, auf die Geschichten, die das Leben so spielte. Selbstverständlich betraf ihre Neugierde auch ihre nähere Umgebung. Nicht selten stöberte sie in der Post, die im Sekretariat gesammelt wurde. Das heißt, sie öffnete sie natürlich nicht, aber es interessierte sie schon, wer welche Post verschickte und an wen. Sage mir was… war ihr Lieblingsspiel. Es ließ sich bei der Post genauso anstellen, wie im Supermarkt an der Kasse. Sage mir was du isst und ich sage dir wer du bist. Oder bei den Elternabenden, zeige mir was für Schuhe du trägst und ich sage dir was du für ein Niveau hast. Das Spiel hieß jetzt, zeige mir was du für einen Schmuck trägst und ich sage dir mit wem du ein Verhältnis hast. Sie ging wieder in ihr Klassenzimmer und betrachtete die Machart des Ohrhängers. Sie fand einen eingeprägten Stempel. Es handelte sich um Weißgold. Die Steine waren ebenfalls echt. Kein Modeschmuck. Edelmetall, hochwertig verarbeitet, solider Verschluss. Er musste viel Geld gekostet haben. Auffällig und teuer. Wer konnte so einen Schmuck tragen, welche Schlüsse ließ er auf die Trägerin zu? Die Ines konnte sich so einen Schmuck nicht leisten, es sei denn es wäre ein Geschenk gewesen. Auch möglich. Ein Geschenk vom Chef! Aber die Sache hatte sich zerschlagen. Ines hatte ihre Ohrringe noch. Wer in ihrem Kollegium trug überhaupt Ohrringe und war attraktiv? Sie konnte den Geschmack ihres Chefs nur erahnen. Blond, jung, attraktiv musste sie bestimmt sein. Er war kein Typ, der auf Verstand Wert legte. Seine Frau war aber auch nicht ohne.
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