Frau Edelweiß und der Nato-Gipfel: Ein Schulkrimi - Der erste Fall von Frau Edelweiß (German Edition)
Normalerweise lief sie ab 22.00 Uhr erst zur Hochform auf. Dann konnte sie so richtig gut arbeiten. Aber heute war alles anders. Die letzten Wochen waren zu anstrengend gewesen. Erst die ganzen Natovorbereitungen. Schon Wochen vorher diese Hubschrauber. Tag und Nacht kreisten sie über der Stadt und den umliegenden Dörfern. Und dann der Verkehr, die Absperrungen, die Ängste, dass auch nichts passieren wird. Und dann war doch etwas passiert. Anders als es sich alle gedacht hatten. Kein Terroranschlag, nein, der Chef war tot. Eigentlich war er gar nicht so übel gewesen. Jetzt so aus dem Abstand betrachtet, hatte er durchaus seine Qualitäten. Besonders wenn man dann sah, was darauf folgte. „Schlimmer geht immer“, rief sie sich ins Gedächtnis. Der große Flachbildschirm, der das Schlafzimmer prägte, lief die ganze Nacht durch. Sie konnte nicht einschlafen. Im Fernseher liefen immer noch die ganzen Berichte von einem Amoklauf in einer anderen Stadt, der das Land in Atem gehalten hatte. Schule, Schule und nochmals Schule. In der Tageszeitung gab es diese Todesanzeige vom Ministerium, aber der Attentäter war nicht drauf. Warum eigentlich nicht? Er hat dieses Leid verursacht, aber ist er nicht auch ein Opfer? Darf man nicht um ihn trauern? Sie sagte es sich schon seit Jahren. „Achte die Würde der Schüler. Jeder ist wichtig und jeder ist etwas wert. Aber unser Schulsystem zeigt spätestens in der vierten Klasse: Du bist super, du darfst in die beste Schule gehen. Oder, du bist so lala, du gehst eine Stufe tiefer. Oder du bist nichts, schön untermauert durch viele schlechte Noten, die die Lehrer gezwungen waren zu geben. Du hast keine Chance im Leben, geh mal in die Hauptschule. Und dann die vielen Computerspiele. Viele Eltern sind immer noch stolz, wenn ihre Kinder 3 Stunden vor dem Bildschirm hocken und erzählen in den Elterngesprächen wie super sich ihr Kind mit dem für sie komplizierten Gerät auskennt. Sie sehen nicht die Gefahr. Sie sehen nur: Das Kind ist still, das Kind beschäftigt sich und das Kind muss auch irgendwie intelligent sein, da es so geschickt mit den vielen Knöpfchen und Tasten umgehen kann, das kann nicht schlimm sein. Sie rief sich das Gespräch mit einer Mutter ins Gedächtnis, die doch tatsächlich darauf gekommen ist, dass die ADHS Symptome eventuell durch die Computerspiele verschlimmert werden könnten. Sie versprach auch, dieses Gerät aus dem Kinderzimmer zu verbannen und ihm nicht mehr zu erlauben gleich nach dem Aufstehen ab ca. 6 Uhr bis zum eventuellen Frühstück zu spielen. In dem Gespräch konnten auch Parallelen gefunden werden zu den Computerspielen und der mangelnden Konzentrationsfähigkeit am Schulvormittag. Das war doch schon mal was, wenn man so einsichtige Eltern vor sich hatte. Andere Eltern hatten da ganz andere Strategien. „Vor dem Fernseher und mit einer Schüssel Chips in der Hand, wird die Wohnung nicht dreckig. Ein sehr stimmiges Erziehungsprinzip, besonders wenn man den Leibesumfang des Chipsessers berücksichtigte. Da brauchen wir gar nicht von Gewaltspielen reden, der normale Alltagswahnsinn reicht vollkommen. Reden, sprechen, sich ausdrücken! Wer kann das schon noch? Sie war alles so leid. Immerhin hatten sich ihre Schüler inzwischen von den Einwortsätzen der ersten Klasse zu fast verständlichen Geschichten gesteigert. Aber was war das für ein Kampf gewesen! Sie wollte nicht mehr. Sie konnte nicht mehr.
11
Den nächsten Morgen hätte sie fast verschlafen. Kurz bevor der Wecker geklingelt hatte, war sie erst eingeschlafen. Vor dem Spiegel trug sie voller Verzweiflung und in vollem Bewusstsein über die Zwecklosigkeit ihrer Tat, eine ganze Ladung Antifaltencreme auf. Das runtergeschlungene Frühstück lag ihr im Magen. Die Autoscheiben waren schon wieder zugefroren. Ein Frühling wollte sich einfach nicht einstellen. Mit einem kleinen Guckloch im Autofenster fuhr sie an der Dorfschule entlang. Sie ärgerte sich über die ganzen Autofahrer, die rücksichtslos die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometern missachteten und das an der Dorfschule. Ein Wunder, dass noch nichts passiert war. Sie bemerkte auch, dass einige Kollegen, die an dieser Schule arbeiteten, ebenfalls die Geschwindigkeits-begrenzungen ignorierten. Wie gut, dass wenigstens die Grundschule in Willstätt nicht direkt mit dem Auto anzufahren war, denn dann hätten die Eltern am liebsten direkt vor dem Klassenzimmer geparkt. So was wie ein „Drive in“ - Schalter für
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