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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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diese ganzen Zusatzstoffe, die dann aus dem Pulver rauskommen, erzeugen Reaktionen, die man so gar nicht haben will, zum Beispiel Niesen oder Magenschmerzen oder Schweißausbrüche.«
    Also doch, er wollte sie auf den Arm nehmen. Sie musste besser darauf achten, wann er etwas ernst meinte und wann nicht. Sie hatte wohl einfach zu viel Zeit alleine verbracht.
    »Ich mache Ihnen bald mal einen Filterkaffee, von dem Sie niesen!«, lachte sie. »Aber jetzt werde ich erst einmal abspülen. Man fühlt sich ja wie zu Besuch bei den Fruchtfliegen.«
    Plötzlich schaute er wieder so ernst, als hätte sie ihn beleidigt.
    »Es bleibt nun einmal viel liegen, wenn man ins Krankenhaus muss«, fügte sie schnell hinzu.
    Sascha schraubte die beiden Teile zusammen, machte den Gasherd an und stellte die Kanne auf die Flamme.

    Dann verließ er schweigend und ohne sie eines Blickes zu würdigen die Küche. So würden sie es zusammen aushalten. Endlich konnte sie in Ruhe für Ordnung sorgen.
    Während sie Wasser in das große emaillierte Waschbecken laufen ließ und die Essensreste mit einer Gabel von den Tellern kratzte, versuchte sie, die Dinge um sie herum auch in ihrem Kopf zu ordnen. Den Gedanken daran, dass sie in ihrem Nachthemd in der Küche eines fremden jungen Mannes stand, verdrängte sie schnell, um sich dem viel größeren Rätsel zuzuwenden. Wo war sie hier wirklich gelandet? Alles um sie herum wirkte wie aus der Vergangenheit. Das letzte Mal, dass sie an einem emaillierten Waschbecken gestanden hatte, lag Jahrzehnte zurück. Und erst der Dielenboden in der Küche! Bislang hatte sie alles, was in ihrem Leben passiert war, irgendwie verstanden, alles hatte im Wesentlichen der gleichen Logik gehorcht, auch wenn nicht nur im Krieg Dinge geschehen waren, die schwer zu begreifen schienen. Jetzt aber begann der Boden zu wackeln, die alltäglichen Dinge, die aufeinandergefolgt waren, der Kohlenofen, der Gasherd, der Elektroherd. Sie fuhr mit den Händen in das heiße Wasser und genoss den Schauder, der ihr den Rücken hinunterlief. Nein, zu viel funktionierte noch so, wie sie es kannte. Es musste für all das eine Erklärung geben. Da begann die seltsame Kaffeekanne zu blubbern, und ein wirklich feiner Kaffeeduft erfüllte die Küche. Auf manche Dinge konnte man sich verlassen.
    »Könnten Sie den Kaffee vom Herd nehmen?«, rief ihr Gastgeber aus dem Nebenzimmer.
    »Schon geschehen«, log sie und griff schnell nach der Kanne. Sie musste nur noch über den Tisch wischen und irgendwo zwei Tassen finden. Die Teller konnte sie solange einweichen lassen. Im Einbauschränkchen unter der Fensterbank wurde sie, auf Kosten eines leichten Stechens im Kreuz, fündig, richtete sich vorsichtig wieder auf und stellte die ebenfalls nicht gerade modernen Tassen samt Untertassen auf den feucht glänzenden Küchentisch.

    »Haben Sie auch so einen Hunger?«, fragte der junge Mann, der lächelnd in der Küchentür stand.
    »Ach was. In meinem Alter braucht man nicht mehr viel.«
    »Na kommen Sie«, grinste er, griff hinter sich und präsentierte Brötchen, Milch und eine kleine Packung Eier, und sie spürte mit einem Mal, wie groß ihr Hunger war. »Das haben wir uns verdient, und bitte bleiben Sie sitzen! Ich bin auch ohne Sie nicht verhungert.«
    »Ganz wie Sie befehlen. Aber wo haben Sie das denn so schnell herbekommen?«
    »Vom Asiaten unten.«
    »Asiatische Brötchen?«, lachte sie, und er sah sie an, als habe er Mitleid mit ihr. Wirklich übelnehmen konnte sie ihm das nicht, sie, die im Nachthemd in dieser Küche saß und nicht begriff, wie ihr geschah. Aber konnte er denn nicht auch ein bisschen Rücksicht auf sie nehmen?
    »Im Erdgeschoss ist ein vietnamesisches Geschäft, in dem es auch Brötchen gibt. Ganz normale deutsche Brötchen.«
    »Aha. Ein Vietnamese also.«
    Sie blieb sitzen und versuchte zu verstehen, was er jetzt schon wieder machte. Er legte zwei Eier in einen kleinen Topf, in den er anschließend heißes Wasser laufen ließ. Kein Eierstecher, keine Eieruhr, kein kochendes Wasser. Sie würde nichts sagen, wenn die Eier platzten. Schließlich war sie zu Gast. Einen zweiten Topf füllte er mit Milch, als wollte er Pudding machen oder Kakao.
    »Ganz schön dreckig, die Teller. Gute Idee, die erst mal einzuweichen«, sagte er.
    »Ach was«, sagte sie und wartete gespannt darauf, dass die Eier platzen und das Wasser durch das austretende Eiweiß aufschäumen und die Gasflamme löschen würde. Er verließ die Küche. Kurz darauf

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