Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
Vom Netzwerk:
blickte auf. »Machen Sie sich keine Sorgen, wir kriegen das schon hin.«
    »Ihr Wort in seinem Ohr«, versuchte sie in Richtung Decke zu lächeln und entdeckte die Spinnweben in den Ecken. Sie war wirklich müde, und sie musste aufs Klo, unsicher, wie das enden würde. Wie ihr Leben gehorchte auch ihr Darm seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, einem strengen Rhythmus, ja, wenn sie es recht bedachte, bestimmte eigentlich er, was sie tun und lassen sollte, so wie es früher Stanislaw getan hatte. Wenn man sonst keine Verpflichtungen hatte, konnte das sehr angenehm sein. Schon gestern war der Rhythmus durcheinandergeraten. Ihr Darm hatte sich beschwert über den Ortswechsel, den Umzug ins Krankenhaus, obwohl sie alles getan hatte, um ihn zufriedenzustellen. Und dennoch drängte er sie.
    »Wenn Sie ins Bad möchten, Sie wissen ja, wo es ist. Ich habe Ihnen ein Handtuch rausgelegt«, sagte er, der für einen jungen Mann ohne Manieren wirklich zuvorkommend war. Und sie sah nur die Spinnweben an der Decke und den Staub an der Fußleiste, achtete auch darauf, wie er sein Brötchen aß.
    »Danke, sehr gerne«, sagte sie.

    Sie hatte wieder auf dem Rücken geschlafen und fragte sich, noch nicht ganz wach, ob auch sie wie andere alte Menschen schnarchte, wenn sie auf dem Rücken lag?
    Wo hatte sie diesen Artikel gelesen, in dem ein Arzt davor warnte, dass Schnarchen nicht nur der Partnerschaft, sondern auch dem eigenen Körper schadete? Man sollte sich Pflaster auf den Nasenrücken kleben. Wenn das nichts bewirkte, blieb nur die Möglichkeit, sich operieren zu lassen. Man musste sich wegen allem Möglichen operieren lassen, wenn man den Zeitschriften glaubte. Da sie sich immer gut und ausgeruht fühlte, wenn sie aufwachte, konnte das eigentlich nur heißen, dass sie nicht schnarchte. Sonst hätte sich der junge Mann im Krankenhaus sicherlich beschwert. Das war schon so lange her.
    Zumindest ansatzweise erleichtert von ihrem Besuch im ebenfalls nicht ganz sauberen Badezimmer, war sie auf seinem nicht faltenfreien, doch immerhin frisch bezogenen Bett eingeschlafen. Sie hatte sich noch gefragt, was sie am Abend kochen würde. Ihr Gastgeber hätte mindestens einen Braten verdient, mit Kartoffeln und Rotkohl. Würde sie das schaffen? Noch war der Pfleger mit ihren Sachen nicht gekommen. Noch konnte sie es kaum glauben, dass sie in wenigen Stunden wieder zu Hause wäre. Sie sah Sascha schon an ihrem Küchentisch sitzen und hungrig zuschlagen und lächelte. Wie lange war das her, dass sie für jemanden gekocht hatte? Vielleicht könnte er die Einkäufe erledigen. Ein gutes Pfund Schwein müsste es schon sein, ein Netz Kartoffeln, den Kohl würde sie aus dem Glas nehmen. Aber selbst dann müsste der Braten ja noch in den Ofen, und er, der junge Mann, hatte sicher keine Zeit zu warten. Vielleicht würde sie stattdessen Koteletts anbraten, oder sie könnte ihn für Sonntag einladen, dann hätte sie den ganzen Morgen Zeit. Wenn er überhaupt Lust dazu hatte.
    Sie erinnerte sich an ihr krankes Auge und tastete nach dem Verband. Alles schien an seinem Platz, und plötzlich war sie unsicher, ob sie nicht einen großen Fehler gemacht hatte. Der Herr Doktor hatte sie so lange überreden müssen, bis sie eingewilligt hatte, und jetzt war sie aus dem Krankenhaus geflohen. Gerade weil sie so alt sei, hatte er zuletzt gesagt, müsse sie die letzten Jahre mit beiden Augen genießen. So viele Eindrücke wie möglich mitnehmen. Wohin mitnehmen, hätte sie gerne gefragt, stattdessen aber nachgegeben, um ihm einen Gefallen zu tun. Schließlich war er der Doktor.
    Sie sah sich um, freute sich, dass sie wusste, wo sie war. Wahrscheinlich war sie einfach ein bisschen durcheinander gewesen. Durch die Gardinen schien die Sonne. Draußen sangen zwei Amseln. Sie blieb auf dem Rücken liegen und betrachtete die Decke, auf die auch hier Spinn- und Staubweben ein zartes Muster zeichneten. Vielleicht war es ja heute gar nicht mehr üblich zu putzen, immer darauf zu achten, dass alles sauber war. Oder aber das lag daran, dass hier offensichtlich keine Frau wohnte und der junge Mann einfach zu viel zu tun hatte, um sich auch um den Haushalt zu kümmern. Sie störte das jedenfalls nicht mehr. So alt war sie noch nicht, dass sie sich nicht hätte anpassen können.
    Durch die angelehnte Zimmertür hörte sie Musik, nicht mehr diese moderne Musik, nach der er seine musikalischen Eier gekocht hatte, sondern ein eher südländischer Gesang zu Klavierbegleitung und

Weitere Kostenlose Bücher